Leistungskennzahlen in der Gebäudereinigung
Nachvollziehbare Richtwerte für eine effiziente Kalkulation
Von Sascha Hintze, lizensierter REFA-Fachberater für den Bereich Facility Management, Gebäudereinigermeister, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, Willich
Seit Jahren geben Fachverbände wie der Innungsverband Gebäudereinigung oder die RAl Gütegemeinschaft für Gebäudereinigung e. V. ebenso wie früher der REFA Fachausschuss Gebäudereinigung Handbücher heraus, in denen beispielhaft Leistungskennzahlen zur Gebäudereinigung veröffentlicht werden. Gebäudereiniger greifen immer noch gerne auf diese Publikationen – und vermehrt auch auf Webseiten mit einschlägigen Angaben – zurück, denn aus diesen lassen sich sehr schnell Kennzahlen und Richtwerte für die eigenen Kalkulationen entnehmen.
Allerdings kann man bei einer Kalkulation auf dieser Grundlage auch ordentlich „daneben liegen“, wenn die Parameter des gewählten Beispiels stark von dem zu kalkulierenden Objekt abweichen. Werden keine konkreten, auf den tatsächlichen Einsatzort bezogene Zahlen verwendet, kann dies gerade bei größeren Objekten zu groben Abweichungen in der Kalkulation führen, die an der Realität vorbeigehen. Der Verfasser dieses Beitrags empfiehlt deshalb sowohl Objektbetreibern als auch Reinigungsunternehmen eine objektspezifische Ermittlung von Kennzahlen und gibt dazu einige Hinweise.
Eine Vielzahl von Einflussfaktoren
Die Facetten bei der Ermittlung von Leistungskennzahlen sind zu vielschichtig, als dass in einem zwangsläufig allgemein gehaltenen Handbuch alle Parameter abgedeckt werden könnten. So gibt die Leistungskennzahl in der Dimension „m²/h“ zwar an, wie viele Quadratmeter der zu reinigenden Fläche gemäß Leistungsverzeichnis vom Dienstleister in einer Stunde gereinigt werden können. Doch hängt die tatsächliche Leistung dabei von vielen Einflüssen ab, die nicht 1:1 von einem Objekt auf das andere übertragbar sind.
Denn die Reinigungsleistung wird nicht nur von den baulichen Gegebenheiten, sondern vor allem vom technischen Equipment und vom eingesetzten Reinigungspersonal beeinflusst. Deshalb ist das Leistungsverzeichnis in der Regel objektspezifisch und wird vertraglich abgesichert. In diese Vereinbarung fließen die Kennzahlen ein. Die Leistung wird als erfüllt angesehen, wenn der Objektbetreiber keinen begründeten Anlass zur Beschwerde hat.
Das heißt: Die ermittelten Leistungswerte müssen an die jeweils gegebenen Bedingungen angepasst werden! Werden Faktoren wie Raumausstattung, Reinigungshäufigkeit, Reinigungsverfahren, Bodenbeläge oder Raumnutzung geändert, sind die Werte auf die neuen Rahmenbedingungen abzustimmen. Dies gilt ebenso für die Objektgröße. Bei kleineren Objekten dürfen nicht die gleichen Leistungskennzahlen angewendet werden wie bei großen.
Müssen für jedes Objekt Leistungskennzahlen ermittelt werden?
Jeder verantwortliche Dienstleister muss für sich selbst entscheiden, ob er Leistungskennzahlen übernehmen oder neu ermitteln will. Grundsätzlich ist jedoch schon im Vorfeld zu überdenken, welchen Stellenwert der Auftrag hat und welche Kompetenzen man gegenüber dem potenziellen Auftraggeber ausweisen kann, wenn man Leistungskennzahlen vor Ort ermittelt. Das Feedback wird im Regelfall durchwegs positiv sein: Das persönliche Auftreten vermittelt nicht nur den vorhandenen Sachverstand, sondern zeigt auch die Wertschätzung gegenüber dem Geschäftspartner und dient dem Aufbau einer Beziehung zum Objektbetreiber.
Der Anbieter hat zudem die Gelegenheit, das Objekt detaillierter aufzunehmen als in der üblichen Begehung vor der Angebotsabgabe. So können beispielsweise Reinigungsmittel und deren Konzentration vor Ort getestet werden. Auch die zurückzulegenden Wegstrecken und die entsprechenden Zeiten zum Erreichen der zu reinigenden Bereiche sowie für die Entsorgung von Reststoffen können objektspezifisch ermittelt werden. Das Vorgehen wird an einem anderen Beispiel deutlich: „Wie professionell empfinden wir eine Werkstatt, die nach der Schilderung eines Problems am Auto eine Probefahrt macht, um die Kundenaussage genauer eingrenzen zu können?“
Kurz gesagt: Je größer das Objekt, desto notwendiger sind Leistungskennzahlen.
Wann kann auf beispielhafte Leistungskennzahlen zurückgegriffen werden?
Bei jeder Verwendung von beispielhaft angegebenen Leistungskennzahlen muss darauf geachtet werden, woher diese stammen und wer diese verwenden möchte. So bestehen bereits zwischen Auftraggeber- und Dienstleisterseite oft große Unterschiede.
Bei Ausschreibungen geht es der Vergabestelle – in der Regel ist dies der Betreiber des Objekts – vor allem um realistische Angebote. Auftraggeber greifen dabei gerne auf beispielhafte Leistungskennzahlen zurück, die als grobe Orientierung bei der Auftragsvergabe dienen. Dies soll dazu führen, die verschiedenen Offerten vergleichbar zu machen.
Auftragnehmer sollten als Beispiele angegebene Leistungskennzahlen allerdings nur als Hilfsmittel nutzen und im Idealfall nur die individuellen Werte einsetzen. Denn jedes Dienstleistungsunternehmen ist anders organisiert, hat andere Strukturen und Abläufe und einen anderen Standard beim Einsatz von Personal, Equipment und Reinigungsmitteln. Daher ist eine objektspezifische Anpassung immer von hohem Wert.
Wie können Leistungskennzahlen für ein Objekt ermittelt werden?
Die Ermittlung von Leistungskennzahlen ist komplex, da sie von vielen Faktoren – organisatorischen, technischen, persönlichen, ortsabhängigen – beeinflusst werden. Daher sollten zunächst folgende Parameter betrachtet werden:
- Haupttätigkeit (Unterhalts-, Grund-, Sondereinigung etc.);
- körperliche Konstitution der Reinigungskräfte;
- Leistungsbereitschaft und (altersabhängige) Leistungsfähigkeit (Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter sind Erfolgsfaktoren);
- Ausbildungsstand (die Reinigungsqualität wächst mit dem Ausbildungs- und Wissensstand; regelmäßige Schulungen der Reinigungskräfte sind ein Erfolgsfaktor);
- Einsatz von Reinigungsmaschinen und anderem Equipment;
- Wegstrecken im Revier;
- Wegezeiten zur Versorgung mit Reinigungsmitteln und Geräten sowie zur Entsorgung von Schmutzflotte sowie Rest- und Wertstoffen;
- Organisation der Reinigung (Revierplanung, Reviergröße, Bereitstellung und Handhabung der Gerätschaften);
- Nebentätigkeiten/zusätzliche Tätigkeiten (tagesbedingte Zusatzleistungen);
- ablaufbedingtes Unterbrechen der Tätigkeit, auch Wartezeiten;
- störungsbedingtes Unterbrechen der Tätigkeiten (etwa bei Alarm oder bei Defekten in Ver- und Entsorgungsleitungen sowie in der Haustechnik);
- persönlich bedingtes Unterbrechen der Tätigkeit (hier reicht das Spektrum vom Toilettengang bis zur privaten Nutzung des Mobiltelefons);
- Erholen.
All diese Faktoren können in drei Kategorien zusammengefasst werden: Grundzeit, Erholungszeiten und Verteilzeiten. Aus diesen lässt sich dann die Zeit je Einheit – die Leistungskennzahl – errechnen.
In der Praxis spielt die Ermittlung der Grundzeit die herausragende Rolle. Die Grundzeit besteht aus den Zeiten der Haupttätigkeit, der Nebentätigkeiten und der ablaufbedingten Unterbrechungen der Tätigkeit. Sie ist die Zeit, die von der Reinigungskraft im Objekt zur Ausführung der Arbeiten benötigt wird.
Zweckmäßigerweise sollte ein Dienstleister die Leistungskennzahlen für eine Raumgruppe in einem Objekt beispielhaft aufnehmen. Dazu können zwei bis drei typische Räume betrachtet werden – für eine intensivere Betrachtung fehlt in der Regel die Zeit.
Um die Zeitaufnahmen korrekt durchzuführen, sollten die nachfolgend beschriebenen Punkte beachtet werden. Wie dies am besten erfolgt und wie die Daten ausgewertet werden, wird in einschlägigen Seminaren – auch online – beiREFA vermittelt.
Datenaufnahme vor Ort
Grundsätzlich gilt: Je mehr vom Objekt bekannt ist, desto besser. Realistisch und praktikabel ist eine ausreichende Aufnahme von Objektdaten jedoch meist in nur zwei bis drei Räumen vor Ort. Hier ist besonders wichtig, Räumlichkeiten zu wählen, die typisch für das Gebäude und repräsentativ für die tatsächlichen Reinigungsarbeiten sind. So sollten in einem Bürokomplex, der zu 80 % aus Büros mit 40 m² Grundfläche und jeweils vier Arbeitsplätzen besteht, genau diese Büros zur Zeitaufnahme gewählt werden.
Die Vorgehensweise ist die gleiche, wenn der Einsatz von Geräten und Maschinen geprüft wird. Bei größeren Objekten sind unter Umständen auch mehrere Maschinen gleichzeitig einzusetzen. Hier ist es sinnvoll, einen Partner zu wählen, der bei Bedarf diese Gerätschaften zur Verfügung stellen kann.
Festlegung von Arbeitsverfahren, -weise und -methode
Bei oder nach der Begehung vor Ort wird das günstigste Arbeitsverfahren festgelegt. Hier kann es sich beispielsweise um Nass- oder Trockenreinigungsverfahren handeln.
Welche Arbeitsweise objektspezifisch am sinnvollsten ist, kann anschließend während einer Probereinigung festgestellt werden. Je nach Arbeitsweise wird dann die Arbeitsmethode auf das Objekt abgestimmt.
Fachberatung zum Einsatz von Chemikalien und Geräten
Welche Chemikalien und Gerätschaften einzusetzen sind, kann im Zweifelsfall mit dem Fachberater der Reinigungsmaschinen-Hersteller abgestimmt werden. Dieser – oder ein Ansprechpartner bei dem Vertriebspartner der Firma – sollte aufgrund von Objektbeschreibungen eine Vorauswahl von geeigneten Maschinen empfehlen können.
Die Auswahl von Maschinen ist ein heikles Thema. Bereits geringe Unterschiede bei den Reinigungsgeräten können, je nach Objekt, der Grund für wesentliche Differenzen bei den ermittelten Leistungskennzahlen sein. Zu beachten sind beispielsweise Faktoren wie die automatische Befüllung und Dosierung, die Art der Pads bzw. Padhalter oder Bürstsysteme, die Arbeitszeit einsparen sollen. Ein geringerer Verbrauch an Materialien in der Reinigungsflotte führt zum Beispiel zu geringeren Rüst- und Wegezeiten. Dies ist insbesondere beim Einsatz von Reinigungsmaschinen nicht zu vernachlässigen.
Der Einsatz von Chemikalien ist ebenfalls von Fall zu Fall neu zu bewerten: eine „eierlegende Wollmilchsau“ gibt es nicht. Was für ein Objekt als Leistungslösung gilt, ist in einem anderen nicht praktikabel. So kommt zum Beispiel bei langen Wegezeiten zur Reinigungskammer nur eine Sprühreinigung mit fertigen Reinigungslösungen infrage. Denn zusätzliche Zeiten, die beim Dosieren und Befüllen von Sprühflaschen anfallen, sollten vermieden werden.
Durchführung von Probereinigungen
Der wichtigste Part bei der Ermittlung von Leistungskennzahlen ist die Durchführung einer Probereinigung. Eine Frage stellt sich hier immer wieder: Soll die Probereinigung von einer professionellen Reinigungskraft oder von einer anderen Person ausgeführt werden? Auf Auftraggeberseite kämen hier in kleineren Betrieben der Inhaber selbst, in größeren eine spezielle Fachkraft und in Immobilien der Objektleiter infrage.
Wer als Auftraggeber Reinigungsarbeiten vergeben möchte, sollte zur Ermittlung der Leistungskennzahlen immer eine externe Fachkraft hinzuziehen. Dieser externe Berater muss in der Lage sein, zu klären, wo welcher Bedarf an Reinigung besteht – ob zum Beispiel eine Halle „nur“ gefegt oder tatsächlich gekehrt werden soll. Auf dieser Basis sollte er dann objektspezifisch die Leistungskennzahlen bestimmen.
- Wie oft soll die Probereinigung durchgeführt werden?
Die Erfahrung lehrt, dass auch bei der Ermittlung von Einzelzeiten ein Raum stets komplett gereinigt werden sollte. Das heißt, dass bei der Probereinigung immer zwei Personen anwesend sein müssen: Die erste Person führt die eigentlichen Reinigungsarbeiten aus, die zweite notiert die jeweiligen Zeiten.
Ein realistischer Durchschnittswert ergibt sich erst nach einer mehrmaligen Probereinigung. Als praktikabel erwiesen haben sich drei Durchgänge, aus deren aufgenommenen Zeitwerten dann ein Durchschnittswert gebildet wird.
- Was ist bei den Rüst- und Wegezeiten zu beachten?
Rüst- und Wegezeiten sind stark objektabhängig und variieren damit von Einsatz zu Einsatz. Dies stellt manchen Dienstleister vor logistische Herausforderungen, unter Umständen bereits bei einem einzelnen größeren Objekt.
Zum einen kann es in einem solchen Gebäude Reviere geben, die räumlich weit voneinander getrennt sind, aber nicht über eigene Reinigungskammern verfügen. Hier können Wegezeiten großen Einfluss auf die Leistungskennzahlen ausüben. Das Gleiche gilt auch für die Entsorgung von Rest- und Wertstoffen. Wo werden diese entsorgt? Gibt es im Objekt oder auf dem Betriebsgelände Sammelstellen, wo die eingesetzten Reinigungskräfte anfallende Abfall- oder Reststoffe abgeben oder der Verwertung zuführen können? Wie weit sind diese Stationen entfernt und wie – und wann – sind sie zu erreichen?
Auch beim Befüllen und Entleeren von Reinigungsmaschinen sind Rüst- und Wegezeiten zu beachten. Sind im Objekt Dosier- oder Schnellbefüllsysteme vorhanden? Wo kann die Schmutzflotte aus aufgenommenem Kehricht und Waschwasser entsorgt werden?
Ist das Objekt, für das die Leistungskennzahlen erhoben werden sollen, für den Dienstleister neu, ist ein wirklichkeitsnaher Maschineneinsatz schwierig. Rüstarbeiten, Befüllungen oder Entleerungen können nicht unter „normalen“ Umständen getestet werden, um realistische Zeiten zu bekommen. Ein Ausweg ist, auf Erfahrungen aus bereits betreuten Objekten zurückzugreifen und baugleiche Maschinen probeweise zu befüllen, nachdem man im Vorfeld die Wege im neuen Objekt vermessen hat. Ein solcher Näherungswert ist im Zweifelsfall aussagekräftiger als ein frei erfundener Wert; die Leistungskennzahl wird am Ende vielleicht nicht ganz korrekt sein, aber hinreichend genau.
Konsequenzen fehlender oder falscher Leistungskennzahlen
Je größer das Objekt ist, für das ein Angebot für eine Reinigungsleistung abgegeben werden soll, desto notwendiger wird die Ermittlung von Leistungskennzahlen vor Ort. Denn weichen die angenommenen Werte stark von der Realität ab, kann dies letztlich zwei gravierende Folgen haben: Entweder kann die vereinbarte Reinigungsqualität nicht gewährleistet werden oder die Gesamtkalkulation bildet eine Unterfinanzierung ab, da die ermittelte Arbeitszeit überschritten wird.
Werden Werte geschätzt, grob überschlagen oder aus Beispielrechnungen herangezogen, kann es aber auch zu völlig überzogenen Leistungswerten kommen. So kann es geschehen, dass ein Dienstleister für die Reinigung einer Räumlichkeit eine Leistungskennzahl angibt, die die nach REFA-Methoden ermittelte um mehr als das Dreifache übertrifft. In der Konsequenz wird ein solcher Anbieter den Auftrag vermutlich bei einer neuen Ausschreibung verlieren.
Fazit
Auch in der Gebäudereinigung zahlt sich die Ermittlung von Leistungskennzahlen aus. Sind für ein Objekt einmal realistische Werte erhoben und Leistungskennzahlen daraus abgeleitet worden, lassen sie sich bei Änderungen im Objekt oder bei dessen Erweiterungen immer wieder anpassen. Der einmalige Grundaufwand ist damit langfristig eine lohnende Investition.
Werden Leistungskennzahlen aus zweiter Hand genutzt – also solche, die von anderer Stelle ermittelt oder beispielhaft angegeben wurden, sind entweder die Erhebungsgrundlagen nicht bekannt oder sie beziehen sich auf ein anderes Objekt. Eine 1:1-Übertragung auf die eigene Situation ist so in der Regel kaum möglich und führt oft zu unrealistischen Kennzahlen – und zu risikobehafteten Kalkulationen.
Jeder Objektbetreiber ist deshalb gut beraten, sich die Zeit zu nehmen und die Mühe zu machen, Leistungskennzahlen von Fachleuten ermitteln zu lassen. Alternativ kann er sich auch in der Ermittlung von Leistungskennzahlen qualifizieren lassen – etwa durch REFA-Seminare.
Wenn diese Qualifizierung dann noch mit Optimierungsmöglichkeiten bei der Reinigungsleistung kombiniert wird, dann sind im Bereich Facilitiy Management die Weichen richtig gestellt, um langfristig Kosteneinsparungen zu erreichen.