Verfasser: Hans-Peter Machwürth, Geschäftsführer der Machwürth Team GmbH, Visselhövede
Warum erzielen manche Unternehmen eine Umsatzrendite von 20 Prozent und andere nur eine Rendite von fünf Prozent? Und warum steigt der Umsatz bei einigen Firmen Jahr für Jahr um 15 Prozent, während andere mühsam fünf Prozent Wachstum erzielen? Und dies, obwohl sie in derselben Branche aktiv sind und ihren Kunden weitgehend dieselben Leistungen offerieren. Die Standardantwort auf diese Frage lautet: Es liegt an der Strategie.
Schaut man jedoch genauer hin, dann stellt man fest: Dass die Strategie stimmt, ist für den Erfolg eines Unternehmens zwar wichtig. Doch dafür, wie erfolgreich es ist, ist ein anderer Faktor entscheidend: die Unternehmens- und Führungskultur. Denn faktisch sind die strategischen Optionen der Unternehmen meist sehr begrenzt. Schließlich haben sie eine gewachsene Kultur, Struktur und Kompetenz. Zudem bewegen sie sich im selben Marktumfeld wie ihre Mitbewerber. Entsprechend gleichlautend klingen oft ihre strategischen Grundaussagen.
Erfolgsfaktor (Führungs-)Kultur
Die Unternehmen unterscheiden sich aber darin,
- wie schnell sie aus Erkenntnissen die erforderlichen Schlüsse ziehen und
- wie konsequent sie diese umsetzen.
Und dies ist eine Frage der Unternehmens- und Führungskultur.
Häufig beobachtet man in Unternehmen, dass deren oberste Führung strategische Ziele definiert. Zum Beispiel: Wir wollen in drei Jahren ein Drittel unseres Umsatzes mit Serviceleistungen erzielen. Daraufhin ermitteln die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern, was dies für deren Arbeit bedeutet. Zudem vereinbaren sie mit ihnen, was es zu tun gilt, damit ihr Bereich den nötigen Beitrag zum Erreichen der Ziele leistet. Doch dann kehren die Beteiligten zur Alltagsarbeit zurück und wenige Tage später sind die Vereinbarungen vergessen.
„Tolerierte Mittelmäßigkeit“ bekämpfen
Dieses Phänomen beobachtet man in vielen Unternehmen. Unter anderem, weil ihre Mitarbeiter im Alltag die Erfahrung sammeln: „Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird.“ Deshalb hat sich in ihnen eine Kultur der Inkonsequenz und „tolerierten Mittelmäßigkeit“ entwickelt. Das heißt, die Organisation erbringt keine Top-Leistungen mehr. Sie versinkt allmählich im Mittelmaß.
Eine Ursache hierfür ist: Viele Führungskräfte sind sich ihrer zentralen Aufgabe nicht ausreichend bewusst. Sie lautet: Sicherstellen, dass ihr Bereich seinen Beitrag zum Erreichen der Ziele des Unternehmens leistet. Dieser Aufgabe ordnen sich alle anderen Führungsaufgaben unter. Deshalb setzt der Aufbau einer Kultur der Konsequenz in Unternehmen in der Regel ein Umdenken der Führungskräfte voraus. Ihr Handeln muss sich stärker an der Maxime orientieren: Getroffene Entscheidungen werden umgesetzt. Zudem muss sich ihr Verhalten stärker an den Zielen und Vereinbarungen orientieren.
Oft verkünden Führungskräfte Ziele wie „Wir wollen der Serviceführer“ oder „...der Innovationsführer werden.“. Wenn daraus im Arbeitsalltag aber die nötigen Schlüsse gezogen werden müssten, dann kommunizieren sie ihren Mitarbeitern: „Ja, es stimmt, wir möchten dieses Ziel erreichen. Doch jetzt sind andere Dinge dringender ...“ Sie definieren somit die Prioritäten neu und ihre Mitarbeiter verhalten sich entsprechend. Prüfen Sie deshalb als Führungskraft regelmäßig: Spiegeln sich in meinem Alltagshandeln und in meinen alltäglichen Entscheidungen die übergeordneten Ziele wider?
Die Mitarbeiter zum Erfolg führen
Zu den Kernaufgaben von Führung zählt es auch, gemeinsam mit den Mitarbeitern aus den übergeordneten Zielen deren Verhalten im Alltag abzuleiten. Zum Beispiel: Wie sollen künftig Angebote gestaltet und nachgefasst werden? Oder: Was tun wir, wenn wir einen Termin nicht halten können? Außerdem ist es eine Kernaufgabe von Führung, mit den Mitarbeitern Meilensteine zu definieren, die es auf dem Weg zum großen Ziel zu erreichen gilt; des Weiteren ist regelmäßig zu kontrollieren, ob sich ihr Bereich noch auf dem rechten Weg befindet. Sonst können sie letztlich nur das (Nicht-)Erreichen der Ziele konstatieren.
Spricht man mit Führungskräften hierüber, dann antworten sie oft: „Das tue ich doch.“ Fragt man jedoch nach, dann zeigt sich meist, dass sich ihr Führungshandeln auf folgende Mitarbeitergruppen konzentriert:
- die Low-Performer – also die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhalten und -einstellung nicht den Erwartungen entspricht, und
- die High-Performer – also die Mitarbeiter, die fachlich fit und hochmotiviert sind und wenn nötig auch eigenständig neue Problemlösungen erarbeiten.
Den „fleißigen Bienen“ mehr Beachtung schenken
Wenig Beachtung schenken die Führungskräfte jedoch meist den „grauen Mäusen“, die kompetent und ausdauernd sowie ohne große Forderungen zu stellen, ihre Arbeit verrichten. Sich mit diesen Mitarbeitern zu befassen, besteht für die Führungskräfte auch kein Anlass. Sie funktionieren ja. Dabei bestünde hierzu durchaus Anlass. Denn die „grauen Mäuse“ – oder treffender formuliert „fleißigen Bienen“ – machen in der Regel circa zwei Drittel der Beschäftigten aus. Sie sind zwar nicht das Herz und Hirn, aber das Rückgrat jedes Unternehmens. Und sie leisten aufgrund ihrer Zahl und Zuverlässigkeit den größten Beitrag zum Erfolg jeder Organisation. Also sollten Führungskräfte diesen Mitarbeitern auch die verdiente Beachtung schenken – auch wenn es darum geht, die Leistung ihres Bereichs zu steigern.
Zum Steigern ihrer Leistung sind die „fleißigen Bienen“ in der Regel fähig und bereit. Unter drei Voraussetzungen:
- Sie nehmen als Führungskraft die (Leistung der) „fleißigen Bienen“ überhaupt wahr,
- Sie suchen den Dialog mit ihnen und
- Ihre Anforderungen sind realistisch.
Anders ist es, wenn Sie als Führungskraft eine „fleißige Biene“ mit einer unrealistischen Forderung konfrontieren wie „Im kommenden Jahr müssen Sie 50 Prozent mehr Umsatz erzielen“. Eine solche Forderung wird als Affront erlebt. Nicht nur, weil die „fleißigen Bienen“ eine solche Zielvorgabe als Ausdruck mangelnder Wertschätzung ihrer bisherigen Arbeit erfahren, sondern auch weil sie wissen: Wenn ich dieses Ziel erreichen möchte, dann bedeutet dies für mich so viel Mehrarbeit, dass ich noch lange abends hier sitze. Die „fleißigen Bienen“ erleben somit eine solche Zielvorgabe auch als mangelnde Rücksichtnahme auf ihre persönlichen Interessen. Also beginnen sie (innerlich) zu rebellieren und zu opponieren. Das heißt, das Rückgrat der Organisation wird geschwächt.
Die nötigen Rahmenbedingungen schaffen
Anders reagieren diese Mitarbeiter jedoch, wenn Sie sich als Führungskraft mit ihnen zusammensetzen und sagen: „Frau Maier, Sie haben bisher von 100 Angeboten im Schnitt 18 in Aufträge umgewandelt. Eine gute Quote. Erachten Sie es unter gewissen Umständen als möglich, im Schnitt 20 von 100 Angeboten in Aufträge umzuwandeln?“ Dann antwortet jeder gute Mitarbeiter „unter gewissen Umständen: Ja!“.
Also stehen Sie als Führungskraft nur noch vor der Herausforderung, mit dem Mitarbeiter herauszuarbeiten, was die „gewissen Umstände“ sind. Dies können die unterschiedlichsten Dinge sein. „Wenn ich besser im Verhandeln geschult wäre, ...“, „Wenn ich mehr Entscheidungsspielräume hätte, ...“ „Wenn ich ...“ Ihr Job als Führungskraft ist es, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Tun Sie dies, können Sie sich auf die „fleißigen Bienen“ verlassen. Unter anderem, weil sie im Kontakt mit Ihnen die Erfahrung gesammelt haben: Mein „Chef“ fordert von mir nichts, was unrealistisch ist.
Ungeachtet dessen sollten Sie am Ball bleiben – also regelmäßig nachfragen „Frau Maier, wie läuft’s?“ und wenn Sie das Signal „Na ja“ bekommen, dem Mitarbeiter das Angebot unterbreiten „Lassen Sie uns noch mal zusammensetzen und ...“. Dies ist wichtig! Denn selbst wenn die vereinbarten Ziele realistisch sind, dann setzen diese bei dem Mitarbeiter doch ein teilweise verändertes Verhalten voraus. Das heißt, Sie reißen ihn punktuell aus seiner „Komfortzone“. Und diese zu verlassen, fällt vielen „fleißigen Bienen“ schwer. Also benötigen sie eine Unterstützung.
Die „High-Performer“ stärker einbinden
Und hier liegt in der Regel das Problem. Spricht man mit Führungskräften hierüber, dann erwidern sie meist: „Zu einem so intensiven Betreuen so vieler Mitarbeiter fehlt mir die Zeit.“ Schließlich bilden die „fleißigen Bienen“ die Mehrzahl der Mitarbeiter. Teilweise lässt sich dieses Problem lösen, indem man den Führungskräften vermittelt: Auch ihr müsst mehr Selbstdisziplin im Arbeitsalltag zeigen. Denn noch immer gilt: Viele Führungskräfte delegieren (anspruchsvolle) Fachaufgaben nicht konsequent genug. Die Folge: Das Tagesgeschäft frisst sie auf und Führungsaufgaben bleiben liegen.
Dabei gäbe es Mitarbeiter, an die sie die Fachaufgaben delegieren könnten: die High-Performer. Hierdurch würden die Führungskräfte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – sich selbst entlasten und den High-Performern, die sich herausfordernde Aufgaben wünschen, eine Chance geben, sich zu bewähren und weiter zu profilieren. Teilweise kann zudem das Betreuen und Anleiten der „fleißigen Bienen“ den High-Performern übertragen werden – zum Beispiel, indem Führungskräfte gezielt aus einem High-Performer und zwei, drei „fleißigen Bienen“ ein Arbeitsteam bilden.
Eine Aufwärtsspirale in Gang setzen
Auch diese Möglichkeit nutzen Führungskräfte zu selten, um die Mehrzahl der Mitarbeiter in Bewegung zu versetzen und die Mehrleistung zu erzielen, die dazu führt, dass ein Unternehmen zu den Top-Performern im Markt zählt. Dabei müsste dies das Ziel von Führung sein, denn hierdurch setzt sich eine Spirale nach oben in Gang.
Wenn eine Organisation zu den Top-Performern zählt, erwirbt sie sich mit der Zeit einen entsprechenden Ruf – in der Branche und im (Arbeits-)Markt. Das heißt, ihr haftet das Image „Die sind gut“ an. Dadurch wird die Organisation attraktiver für gute Bewerber. Also kann sie höhere Maßstäbe an neue Mitarbeiter stellen, wodurch sich das Leistungsniveau Schritt für Schritt nach oben verschiebt.
Diese Spirale in Gang zu setzen, ist gerade in Zeiten, in denen gute Fach- und Führungskräfte rar sind, wichtig. Denn Hand auf Herz, Für wen würden Sie als Bewerber sich entscheiden, wenn Sie die Wahl hätten: für den Champion im Markt oder für ein Unternehmen, das zur grauen Masse zählt?