Verfasser: Ingo Laqua, CIM Aachen GmbH
Lean Administration bei der NMC SA im belgischen Eynatten
Administrative Prozesse folgen in vielen Unternehmen den gewohnten Abläufen und Verhaltensmustern. Um ihre Effizienz zu hinterfragen, muss mit probaten Werkzeugen Transparenz geschaffen werden. Erst dann lassen sich die Potenziale erkennen und das Erschließen unter allen Beteiligten vermitteln. Das folgende Fallbeispiel zeigt, wie in kurzer Zeit und mit der nötigen Energie ausgezeichnete Ergebnisse bei der Reorganisation im Auftragsabwicklungsprozess erzielt werden können.
NMC, als Noël Marquet & Cie SA im Jahr 1950 gegründet, ist ein international tätiges und auch führendes Unternehmen in der Entwicklung, Produktion und Vermarktung synthetischer Schaumstoffe. Die Produkte kommen in den Bereichen Raumgestaltung und Gebäude, Industrie und Verpackung sowie Sport und Freizeit zum Einsatz. Das Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als 1 200 Mitarbeiter an 20 Standorten.
Bereits 2011 hatte die Geschäftsführung einen Lean-Verantwortlichen benannt, der das Lean-Konzept erarbeiten und in der Produktion umsetzen sollte. Die Erfolge in diesem Bereich waren 2014 dann der Anlass, das Konzept auch in die indirekten Bereiche zu übertragen. Der CFO Jürgen Veithen zu den Zielen: „Wir wollen mit der Verschlankung unserer administrativen Abläufe den Kundenservice verbessern, die Effizienz in der Administration steigern und die Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter reduzieren.“
Im Fokus: der Auftragsabwicklungsprozess
In einem ersten Schritt griff man sich den Auftragsabwicklungsprozess (auch „order-to-cash-Prozess“ genannt) heraus – zunächst nur in der Geschäftseinheit Architecture & Design (A&D). Dieser Kernprozess hat durch seinen unmittelbaren Kundenbezug eine zentrale Bedeutung. Reaktionsfähigkeit, Antwortzeitverhalten sowie die Aussagefähigkeit zu Lieferterminen sind wichtige Parameter, die der Endkunde bewertet.
In A&D werden die Kunden vorrangig aus dem Lager bedient, was für die Auftragsabwicklung entsprechende Konsequenzen hat. In einem ersten Schritt wurde dieser Prozess mit den klassischen Ansätzen der Lean Administration analysiert und bewertet.
Der Verschwendung auf der Spur
Damit aus dem „Bauchgefühl Verschwendung“ Zahlen, Daten und Fakten wurden, erfasste das Projektteam den Ist-Zustand der Geschäftsprozesse als „Swimlane“ und führte eine Tätigkeitsstrukturanalyse durch. Mit der Swimlane wurde zunächst der Prozess in möglichst hoher Granularität aufgenommen. Dies war wichtig, um tatsächlich alle (Neben-)Tätigkeiten in vollem Umfang zu erfassen, da hier in der Regel die größten Potenziale liegen. Dokumentiert wurden
- die einzelnen Tätigkeiten im Prozess,
- die Verantwortlichkeiten je Tätigkeit,
- die erzeugten administrativen Produkte,
- die je Tätigkeit eingesetzten IT-Systeme sowie
- Auffälligkeiten und Probleme im Prozess (dokumentiert als Kaizen-Wolken).
In der Diskussion kamen die teilnehmenden NMC-Mitarbeiter schnell auf die wesentlichen Barrieren und Aufwände im Prozess zu sprechen. Hilfreich war hier sicherlich die ständige Frage nach dem „Warum?“ durch die externen Moderatoren. Liebgewonnene Verhaltensmuster wurden auf diese Weise permanent hinterfragt und regten die Mitarbeiter bereits bei der Prozessaufnahme zu kreativen Lösungsansätzen an.
Während mit der Swimlane-Analyse die Effektivität des Prozesses bewertet wurde, ließen sich mit der Tätigkeitstrukturanalyse eindeutige Aussagen über dessen Effizienz treffen. Mit einem standardisierten Fragebogen wurden die Aufwände aller beteiligten Mitarbeiter je Tätigkeit ermittelt, so dass sich über den gesamten Prozess der Aufwand für Wertschöpfung, unterstützende Tätigkeiten und Verschwendung quantifizieren ließ.
Auch die Zeiten für Besprechungen und das Bearbeiten von E-Mails wurden so erfasst. Auf dieser Grundlage wurde dann beispielsweise ein Workshop mit den „Top 10“ unter den E-Mail-Bearbeitern durchgeführt. Anschließend wurden konkrete Maßnahmen zur Eindämmung der E-Mail-Flut verabschiedet.
Umfangreiche Schulungen und Maßnahmenplan
Flankierend zu den Analysen wurden die Mitarbeiter in Sachen Prozessverbesserung geschult. Dies erfolgte am „lebenden Objekt“: Der mit der Swimlane aufgenommene Prozess wurde gemeinsam mit den Mitarbeitern optimiert.
Neben den bereits erwähnten Ideen der Mitarbeiter fanden diese auch besonderen Gefallen daran, möglichst viele Tätigkeiten des Prozesses zu eliminieren – teils, weil sie einfach nicht erforderlich waren, teils aber auch, weil sie mit einfachen organisatorischen oder IT-unterstützenden Maßnahmen reduziert werden konnten. Hierfür wurde ein Maßnahmenplan mit Verantwortlichkeiten und Zeitvorgaben erstellt, der nun die Umsetzung unterstützt. Er wurde unterteilt in Kaizen-Cluster und Lean-Projekte. Bei Kaizen-Clustern handelt es sich um Themen, die in kleinem Kreis in relativ kurzer Zeit gelöst werden können. Lean-Projekte hingegen sind umfassender, weil es hier auch um bereichsübergreifende Themenstellungen geht.
Was wurde bisher erreicht: Zwischenbilanz
In einem nächsten Schritt soll der optimierte order-to-cash-Prozess nun auf andere Geschäftseinheiten übertragen werden. Geplant ist außerdem, den Entwicklungsprozess (concept-to-launch) in denjenigen Bereichen näher zu betrachten, in denen kundenspezifische Lösungen entwickelt werden. Die für die Umsetzung Verantwortlichen sind überzeugt, dass dort ebenfalls ausgezeichnete Lösungen entwickelt werden.
Geschäftsführer Veithen: „Wir sind auf einem guten Weg. Allein die ersten Kaizen-Workshops im Versand brachten für jeden Mitarbeiter eine Zeitersparnis von einer halben Stunde pro Tag. Wir freuen uns auf die nächsten Erfolge.“