Das Schlagwort „New Pay“ wird in Fachkreisen immer häufiger diskutiert und für einige zum Ideengeber für die Erneuerung der tradierten Vergütungssysteme. Andere sprechen von „Altem Wein in neunen Schläuchen“ und können nichts wirklich Neues an New Pay erkennen. Für Unternehmen mit „Old Pay“ stellt sich die Frage, wie sie auf New Pay reagieren.
Verändert New Work die Vergütungssysteme?
Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Sie demokratisiert sie ein Stück weit, weil die Transparenz im Unternehmen für alle Mitarbeiter steigt, um die geforderte Flexibilität – nicht selten durch Selbststeuerung – zu gewährleisten. So können beispielsweise Arbeitszeiten von Mitarbeitern flexibilisiert werden, die am gleichen Projekt arbeiten. Der Arbeitsort muss nicht mehr ständig im Unternehmen sein, Telearbeit und Homeoffice sind angesagt. In diesem Kontext wird, insbesondere in Startups, IT-Unternehmen und Unternehmen der Kreativwirtschaft, der Begriff New Pay genannt. Dieses Konzept lässt sich insbesondere durch vier wesentliche Aspekte beschreiben. Es sind
- die herrschenden Gerechtigkeitsphilosophien des Unternehmens bezogen auf die Vergütung;
- die Höhe der Vergütung, nicht selten abhängig von der Wertschöpfung des Unternehmens;
- die Auszahlung der Vergütung in Euro, Zeit, Nutzungsrechte und/oder betrieblichen Sozialleistungen;
- die Transparenz, Demokratisierung und Mitwirkung der Betroffenen bei der Ermittlung der individuellen Vergütung.
Bedenkt man, dass sich die Unternehmen, über die in der Fachöffentlichkeit unter dem Stichwort New Pay berichtet und diskutiert wird, durch vergleichsweise junge, homogene Belegschaften mit vergleichsweise hohen Qualifikationen auszeichnen und selten mehr als 50 Mitarbeiter haben, dann sind die Entwicklung und Umsetzung von New Pay nachvollziehbar. Es handelt sich quasi um Pilotprojekte.
Der morphologische Kasten der Vergütung
Analysiert man die in verschiedenen jungen Unternehmen entwickelten Systeme von New Pay, lässt sich feststellen, dass es sich um die Anwendung von in Praxis und Fachliteratur bekannter, aber interessanterweise aus guten Gründen selten angewendeter Methoden und Prozesse handelt. In betrieblichen Projektgruppen – häufig ohne externe Begleitung – wurde intuitiv der „morphologische Kasten der Vergütung“ eingesetzt.
Der morphologische Kasten ist eine Kreativitätsmethode zur systematischen Analyse komplexer Aufgabenstellungen. Der betrachtete Gegenstand (z. B. die Leistungsvergütung oder ein ganzes Vergütungssystem) wird strukturiert in seine Parameter zerlegt, für die mögliche Varianten aufgelistet werden. Durch das vielfältige Kombinieren dieser Varianten können innovative, zielführende Lösungen – im vorliegenden Fall das unternehmensspezifische New Pay – identifiziert werden. |
Abb. 1: Definition morphologischer Kasten
Den morphologischen Kasten der Vergütung zeigt beispielhaft Abb. 2. Es wurden eine Reihe unterschiedlicher Aspekte und deren mögliche Ausprägung beispielhaft beschrieben.
Abb. 2: Beispiel eines morphologischen Kastens der Vergütung
Zwei betriebliche Beispiele
In der Literatur sind verschiedene Beispiele beschrieben. Abb. 3 zeigt beispielhaft ein Unternehmen der Kreativwirtschaft mit ca. 15 Mitarbeitern und Abb. 4 ein IT-Unternehmen mit ca. 150 Mitarbeitern.
Abb. 3: New Pay in einem Unternehmen der Kreativwirtschaft
Abb. 4: New Pay in einem Software-Unternehmen
Good Pay – New Pay annehmen
Unternehmen mit tradierten Vergütungssystemen können gelassen auf New Work und New Pay schauen. In Sachen New Work sind die produzierenden Unternehmen schon lange gut unterwegs; zu denken ist z. B. an Gruppenarbeit, Lean Production, Shopfloor-Management, Kaizen, Kanban, Wertstromdesign und wertstromorientierte Teams sowie eine Jahresarbeitszeit. Dazu kommen in vielen Unternehmen die Telearbeit und das Homeoffice sowie die Wahl zwischen Geld oder Zeit – nicht zuletzt im Rahmen tariflicher Regelungen. Cafeteria-Systeme zur Nutzung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Vorteile gehören seit Jahrzehnten zum Angebot von Old Pay.
Bei der Bewertung von New Pay gilt es als erstes zu analysieren, in welchem Umfeld und in welcher Unternehmenskultur es entwickelt wurde und auf welche unternehmenseigene Fragestellung New Pay die passende Antwort sein könnte. Zweitens ist zu analysieren, was sinnvoll übertragbar ist – auch in die eigene Unternehmenskultur. Entsprechend kann dann das eigene Old Pay behutsam weiterentwickelt werden. In Gänze werden die wenigsten Unternehmen ihr Vergütungssystem umkrempeln müssen.
Neben dem Begriff New Pay hat sich Good Pay etabliert. Good Pay steht für passgenaue Vergütungssysteme, die auf die betriebliche Situation und den relevanten Arbeitsmarkt zugeschnitten wurden. Good Pay bedeutet „Vergütungssysteme gemeinsam entwickeln, gerecht gestalten und fair umsetzen“ und wurde in einer Vielzahl von Unternehmen passgenau realisiert.
Literaturverzeichnis
Becker, F. G. Führen mit Anreizsystemen. In C. H. Antoni, E. Eyer, A. Kluge & J. Kutscher (Hrsg.) (2003), Das flexible Unternehmen: Arbeitszeit, Gruppenarbeit, Entgeltsysteme (S. 1–22). Gabler.
Eyer, E. (2010). Innovative Entgeltsysteme: Mitarbeiter nach Tätigkeit, Leistung und Erfolg vergüten. Altenheim. Vincentz Network. http://www.socialnet.de/rezensionen/isbn.php?isbn=978-3-86630-115-3
Eyer, E. (2020). Good Pay: Vergütungssysteme betriebsspezifisch, gerecht und fair gastalten. Wirtschaftspsychologie aktuell (4), 20–25.
Franke, S., Hornung, S. & Nobile, N. (2019). New pay - alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle (1. Auflage). Haufe Group.
Haussmann, T. (2011). Individuelle Ziele und Leistungsboni – ein alter Hut? Variable Vergütung – sieben Thesen zur Diskussion. CHEManager, 2016(11). https://www.chemanager-online.com/themen/management/individuelle-ziele-und-leistungsboni-ein-alter-hut
Hornung, S. & Preedy, K. (2019). Anders vergüten: "New Pay". Arbeit und Arbeitsrecht (11), 668–669.
Kühl, S. (2020). Wie Praktiker das Wort "agil" missverstehen: Die überraschende Renaissance eines verstaubten soziologischen Konzepts. zfo Zeitschrift Führung und Organisation, 89(2), 93–95.
Müller, A. (2018). Organisationale Gerechtigkeit und Entlohnung aus Perspektive der Mitarbeitenden. Wirtschaftspsychologie aktuell (1), 16–26.
Redmann, B. (2019). Vergütungssysteme gestalten: agil, rechtssicher und nicht-monetär: Unternehmen stärken und Mitarbeiter binden. Haufe Fachbuch. Haufe.
Watzka, K. (2020). Ohne Ziele geht es nicht. Personalführung (6), 22–26
Ockenfels, den 04.10.2021
Eckhard Eyer
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!