Erfolgsfaktor Personalbemessung


Erfolgsfaktor Personalbemessung

Der begrenzende Wachstumsfaktor in Deutschland sind qualifizierte Mitarbeiter geworden. Der knappe und teure Produktionsfaktor Mensch ist deshalb gezielt und sparsam einzusetzen. Das fordert eine bedarfsgerechte Personaleinsatzplanung, basierend auf einer angemessenen Personalbemessung. Zu diesem Thema sprach REFA mit dem Vergütungsberater und Wirtschaftsmediator Eckhard Eyer.

 

Herr Eyer, das Thema Personalbemessung rückt immer stärker in den Fokus des Managements, besonders bei der Zunahme der Arbeit im Homeoffice und dem Führen auf Distanz. Was ist das Neue an der Personalbemessung?

Eckhard Eyer: Da gibt es gar nicht so viel grundsätzlich Neues. REFA hat das Thema bereits 1924 aufgenommen als es als „Reichsausschuss für Arbeitszeitstudien“ gegründet wurde. Die Zeit, die Mitarbeiter zum Verrichten einer Arbeit benötigen, wurde mit der Stoppuhr erfasst und diente zur Personalbemessung, Kapazitäts- und Terminplanung sowie in der Produktion auch zur Akkordentlohnung.

Wurde nur bei Arbeitern eine Personalbemessung vorgenommen?

Eckhard Eyer: Die Produktion stand all die Jahrzehnte im Interesse des Managements, weil dort am Industriestandort Deutschland die meisten Menschen arbeiteten. Bei den Angestellten hat man die Personalbemessung lange vernachlässigt. Mit dem Wandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft in Deutschland gewinnt die Personalbemessung auch hier zunehmend an Bedeutung, denken Sie z. B. an Altenheime, Callcenter, Reinigungsunternehmen oder Banken und Sparkassen.

Wie geht man bei der Personalbemessung vor?

Eckhard Eyer: Es wird gerne mit Planzeitkatalogen gearbeitet, d. h. für gewisse Arbeitsschritte oder Arbeiten werden die Zeiten ermittelt die notwendig sind. Das geschieht zunehmend weniger mit der traditionellen Stoppuhr, sondern mit der statistischen Auswertung vorhandener Ist-Daten mit intelligenten Algorithmen. Die Personalbemessung ist auch für Mitarbeiter im Homeoffice, die auf Distanz geführt werden, wichtig.

Wie sieht die Personalbemessung beispielsweise bei Dienstleistungen im Homeoffice aus?  

Eckhard Eyer: Hier habe ich ein schönes Unternehmensbeispiel, bei dem die Mitarbeiter schon seit Jahrzehnten vom Homeoffice aus arbeiten, früher hieß das noch „häusliches Arbeitszimmer“. Das Dienstleistungsunternehmen carexpert ist eine Sachverständigenorganisation mit rund 400 Mitarbeitern, die Schadensgutachten bei Kfz-Unfällen gerichtsfest erstellt. Den Kunden ist zugesagt, dass sie innerhalb von 24 Stunden nach der Schadensmeldung ein Gutachten erhalten. Das erfordert eine genaue Planung und flexible Mitarbeiter.

Wie erreicht man diese Ziele? 

Wichtig ist die Transparenz für alle Mitarbeiter, sie ist die Voraussetzung für die Akzeptanz. Um einen Planzeitkatalog zu erstellen, wurden die möglichen Gutachten „vom Kratzer bis zum Totalschaden“ klassifiziert und die Zeit für die durchschnittliche Fahrt von Werkstatt zu Werkstatt regional differenziert ermittelt. Aufgrund des so entstandenen differenzierten Planzeitkatalogs planen die Mitarbeiter in der Zentrale bei Wiesbaden – bei denen Schadensmeldungen der Werkstätten und Versicherungen eingehen – passgenau die Aufträge für die Schadensgutachter am nächsten Tag und vereinbaren die Termine verbindlich mit den Kunden. Berücksichtigt werden dabei auch Zeiten für Qualifizierung und Meetings.

Und das funktioniert auch bei Blitzeis und Hagelschäden?  

Eckhard Eyer: Ja, aufgrund einer intelligenten Jahresarbeitszeit können die Mitarbeiter mit ihrer Arbeitszeit flexibel auf den Arbeitsanfall reagieren. Hinzu kommt, dass vereinbart ist, dass die Mitarbeiter bei Bedarf auch an zwei Wochen im Jahr „versetzt“ werden können, freiwillig können es auch längere Zeiträume sein. Die Mitarbeiter arbeiten dann nicht von ihrem heimischen Homeoffice aus, sondern vom Hotel aus in den Regionen, in denen z. B. lokal Blitzeis oder Hagelschäden aufgetreten sind.

Kann man bei den Angestellten auf der Basis der Planzeiten auch ein Leistungsentgelt ermitteln?   

Eckhard Eyer: Ja, das geht. Das Unternehmen carexpert zahlt den Sachverständigen ein Leistungsentgelt aufgrund der unterbotenen Planzeiten. Die Sachverständigen erhalten aufgrund ihrer individuellen jährlichen Leistung bis zu zwei zusätzliche Monatsgehälter als Leistungsentgelt, zusätzlich zu ihren 14 – im Versicherungsgewerbe üblichen – Monatsgehältern. Der Vorteil bei der jährlichen Betrachtung der Leistung liegt darin, dass sich nach dem „Gesetz der großen Zahl“ sogenannte „statistische Ausreißer“ ausgleichen lassen und es keine Diskussionen darüber gibt.      

Vielen Dank für das Interview.

Siehe auch den Beitrag „New Work und Good Pay im Homeoffice“ im REFA-Blog vom 9. Februar 2021.

 

Ockenfels, den 14.12.2021
Eckhard Eyer

www.eyer.de
www.good-pay.de

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