Die Personalbemessung ist in der Gesundheitswirtschaft ein wichtiges Instrument, um das Verhältnis von Pflegekräften zu pflegenden Menschen arbeitswissenschaftlich fundiert ermitteln zu können. Mit ihr kann man von den bundesweit unterschiedlichen Pflegeschlüsseln in der stationären Pflege hin zur wissenschaftlich begründeten, nach einheitlichen Methoden ermittelten, Personalbemessung kommen.
Mit dieser Personalbemessung holt die Gesundheitswirtschaft ab Juli 2023 schrittweise nach, was in anderen Branchen, insbesondere in der Industrie, aber auch zunehmend im Dienstleistungsbereich, gang und gäbe ist. Die Personalbemessung ist die Voraussetzung für eine sinnvolle bedarfsgerechte Personaleinsatzplanung bzw. Dienstplangestaltung.
Personalbemessung
Die Personalbemessung erfolgt – so der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Studien und Ziele der Bundesregierung – aufgrund des quantitativen und qualitativen Arbeitsanfalls in der Pflege, d. h. der anfallenden Arbeiten, ihrer typischen Dauer und der zur Durchführung notwendigen Qualifikationen. In der Praxis ist in einer stationären Pflegeeinrichtung der Umfang der Arbeiten vom Pflegegrad der Bewohner abhängig. Die anfallenden Arbeiten, z. B. Grundpflege oder medizinische Pflege, bestimmen die erforderliche Qualifikation der Mitarbeiter und entscheiden damit darüber, ob Pflegeassistenten oder Pflegefachkräfte die Arbeit erledigen. Erste Softwaretools erleichtern hier den Führungskräften die einrichtungsbezogene bzw. wohnbereichsbezogene Personalbemessung.
Personaleinsatzplanung
Die Personaleinsatzplanung bzw. die Gestaltung des Dienstplanes erfolgen aufgrund der anfallenden Arbeit und deren Verteilung im Monat, der Woche und im Tagesablauf. Dabei führen kurzfristige Änderungen der Belegung eines Wohnbereiches oder einer Einrichtung, wenn z. B. Bewohner einige Tage im Krankenhaus sind, zu einer temporär geringeren Belegung. Die regelmäßige Arztvisite am Mittwochnachmittag und deren zeitnahe Nacharbeit durch Pflegefachkräfte wird auch berücksichtigt.
Arbeitsteilung im Team neu gestalten
Aufgrund der methodisch korrekten Personalbemessung, auch hinsichtlich der betrieblich notwendigen Qualifikationen der Mitarbeiter, wird die bisher gültige Fachkraftquote überholt sein. Eine vergleichsweise geringere Fachkraftquote bei einer wesentlich erhöhten Quote von Pflegeassistenten wird eine neue Arbeitsteilung zwischen den Pflegefachkräften und den Pflegeassistenten in den Einrichtungen erfordern. Statusfragen werden auftreten und auch die bisherige Vergütung der Mitarbeiter wird hinterfragt werden. Diese Veränderungen können zu Konflikten führen, die durch ein transparentes Vorgehen, unter Beteiligung der Betroffenen, erfolgreich gelöst oder – noch besser – vermieden werden können. Andere Branchen haben diese Konflikte, insbesondere mit der Einführung von Gruppenarbeit in interdisziplinären Teams in der Industrie, bereits vor Jahren erfolgreich gelöst und seitdem gute Erfahrungen gesammelt.
Auswirkung neuer Technologien auf die Personalbemessung
Die Erfahrungen in anderen Branchen zeigen, dass zunehmend neue Technologien eingesetzt werden, um Rationalisierungen zu erreichen und die menschliche Arbeitskraft durch Technik, Roboter, Künstliche Intelligenz etc. (teilweise) zu ersetzen. Auch wenn das Potential der Substitution menschlicher Arbeit in der Pflege nicht mit der in der Industrie oder anderen Dienstleistungsunternehmen vergleichbar ist, stellt sich zukünftig die Frage, welchen Einfluss neue Technologien auf die Arbeit in der Pflege haben und welche Auswirkungen das auf die Personalbemessung, die Personaleinsatzplanung und nicht zuletzt auf die Refinanzierung durch die Kostenträger hat.
In Anlehnung an eine alte Fußballerweisheit kann man sagen: „Nach der neuen Personalbemessung für Menschen ist vor der Personalbemessung für das sinnvolle Zusammenwirken von Mensch und Technik.“
Ockenfels, den 15.06.2022
Eckhard Eyer