Mit Good Pay können Unternehmen künftig ihr Vergütungssystem passgenau auf ihre Unternehmensstruktur und Mitarbeiter zuschneiden. Good Pay ermöglicht den Weg vom klassischen Lohn zur individuellen Vergütung. Was es mit diesem Entgeltsystem auf sich hat, welche Vorteile und Möglichkeiten es bietet, zeigt Autor Eckhard Eyer am Beispiel eines mittelständischen Unternehmens aus der Metall- und Elektroindustrie.
1. Das Unternehmen
Ein mittelständisches Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie mit 1.200 Mitarbeitern hat seit seiner Gründung die Mitarbeiter nach einem betrieblich gewachsenen – an der Seniorität orientierten – Entgeltsystem, getrennt nach Arbeitern und Angestellten, vergütet. Im Jahr 2019, ausgelöst durch den Wettbewerb am Arbeitsmarkt, gestaltete das Unternehmen sein gewachsenes Entgeltsystem neu und praktizierte dabei das Good Pay-Konzept.
2. Good Pay
Good Pay steht für qualitativ und quantitativ anspruchsvolle Vergütungssysteme, die auf die betriebliche Situation in den Unternehmen passgenau zugeschnitten und für die Mitarbeiter transparent und nachvollziehbar sind. Der Anspruch, die Entgeltsysteme gerecht zu gestalten, bezieht sich auf die von den Unternehmen formulierten Werte und Ziele, die Unternehmenskultur und die bewährten Erfolgsfaktoren.
2.1. Voraussetzungen für Good Pay
Good Pay steht für die betriebliche Gestaltung von Entgeltsystemen, dabei sind zwei Voraussetzungen zu beachten.
Abb. 1: Good Pay: Arbeitsmarkt, Wertschöpfung und betrieblicher Gestaltungsspielraum
- Das Entgeltsystem muss am relevanten Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig sein.
- Die Wertschöpfung des Unternehmens muss so hoch sein, dass das Entgeltsystem finanzierbar ist.
Wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, kann das Entgeltsystem als Good Pay gestaltet werden. Dabei kann der betriebliche Gestaltungsrahmen genutzt werden, um das Vergütungssystem passgenau auf die betriebliche Situation zuzuschneiden.
2.2. Inhalte von Good Pay
Good Pay geht von den Erfolgsfaktoren und Werten des Unternehmens und den daraus abgeleiteten Arbeits- und Führungsstrukturen sowie den Anforderungen an die Mitarbeiter, ihre Qualifikation, Eigeninitiative, Flexibilität und Einsatzbereitschaft aus. Die Werte des Unternehmens, die Arbeitsstrukturen und die Mitarbeiterführung müssen mit dem Entgeltsystem „stimmig“ sein. Good Pay steht für die strukturale Führung, die die personale Führung ergänzt.
2.3. Der Gestaltungsprozess von Good Pay
Betroffene werden im Gestaltungsprozess eines Entgeltsystems bei Good Pay zu Beteiligten. Um die Ziele eines Unternehmens zu erreichen und die Erfolgsfaktoren zu stärken sowie die Wertvorstellungen in das Entgeltsystem zu integrieren, werden neben der Geschäftsleitung auch die Mitarbeiter bzw. ihre Vertreter, die Betriebsräte, einbezogen. Dieser Gestaltungsprozess benötigt in der Regel Impulse und Denkanstöße von außen, weil sonst häufig unbewusst schnell wieder auf das altbekannte „Flächentarifvertrags-Muster“ zurückgegriffen wird.
Es hat sich bewährt den Gestaltungsprozess des gerechten unternehmensspezifischen Entgeltsystems als Projekt zu organisieren und zügig daran zu arbeiten. Typischerweise durchläuft der Gestaltungsprozess drei Phasen:
- Die qualitative Phase, in der die Ziele des Vergütungssystems erarbeitet und konkretisiert werden.
- Die quantitative Phase, in der die qualitativen Ziele quantitativ umgesetzt und die Auswirkungen auf Unternehmen und Mitarbeiter in sogenannten Schattenrechnungen ermittelt und bewertet werden.
- Die rechtliche Phase, in der die neue Entgeltordnung vereinbart und auf neue Arbeitsverträge bzw. die Ergänzung der Arbeitsverträge abgestimmt wird.
Abb. 2: Phasen des Gestaltungsprozesses von Good Pay
3. Good Pay im mittelständischen Unternehmen
Das mittelständische Unternehmen ist Weltmarktführer in seiner Branche und stellt die Kunden und ihre Anforderungen in den Mittelpunkt von Produkten und Service. Die komplexen Maschinen, Investitionsgüter für die Kunden, im Wert von mehreren Millionen Euro pro Stück werden in kleinen Stückzahlen, z. T. Stückzahl eins hergestellt. Die Fertigungstiefe ist sehr hoch, um eine hohe Flexibilität in der Lieferkette – auch bei kurzfristigen Kundenbestellungen – zu gewährleisten.
Die Erfolgsfaktoren des Unternehmens sind die hohe Kundenorientierung, die hohe Fertigungstiefe und qualifizierte Mitarbeiter, die entlang der Prozesskette relativ flexibel eingesetzt werden können sowie der After-Sales-Service. Hinzu kommt der hohe Nutzungsgrad der Maschinen und Anlagen in der spanenden Bearbeitung im Dreischichtbetrieb sowie die Montage im Zweischichtbetrieb und als Kapazitätspuffer eine Frühschicht am Samstag von (nur) sechs Stunden. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Die Mitarbeiter haben ein Jahresarbeitszeitkonto.
3.1. Aufbau des betrieblichen Entgeltsystems
Das Entgeltsystem unterscheidet zwischen einem Grund- und einem Leistungsentgelt sowie Zuschlägen für besondere Belastungen, wie z.B. Lärm, und Schichtzulagen. Ziel war es, dass die Mitarbeiter ein höheres Monatseinkommen erhalten, als die Mitarbeiter in tarifgebundenen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie im betrieblichen Umfeld. Hierzu sollte nicht alleine die 40-Stundenwoche beitragen, sondern auch ein Stundenlohn, der unter Einbeziehung der Schichtzuschläge, über dem der Wettbewerber am Arbeitsmarkt liegen sollte. Das Grundentgelt (Euro/Stunde) lag unterhalb des Stundenlohns des Entgelt-Rahmen-Abkommens (ERA) im Flächentarifvertrag. Das Leistungsentgelt wurde pauschal nach Abschluss der Probezeit als Zulage in Höhe von 10 % des Grundentgeltes und nach einem Jahr in Höhe von 5 % (Tarifvertrag in Summe 10 % Leistungsentgelt) aufgrund einer Zeitautomatik gezahlt. Auf eine individuelle Leistungsbeurteilung wurde verzichtet. Die Mitarbeiter in der Frühschicht erhielten einen Frühschichtzuschlag von 15 % (Tarifvertrag 0 %) und eine Spätschichtzuschlag von 25 % bis 20 Uhr (Tarifvertrag 15 %) und 40 % bis 22:00 Uhr (Tarifvertrag 25 %). Der Nachtschichtzuschlag betrug 40 % (Tarifvertrag 25 %). Das im Vergleich zum Grundentgelt mit Leistungsentgelt im Flächentarifvertrag geringere betriebliche Grundentgelt wurde durch die pauschale Leistungszulage und die Schichtzuschläge überkompensiert. Die Mitarbeiter – nicht nur der „Generation Z“ – lernten so den Wert der (oft ungeliebten) Schichtarbeit schätzen, die ein wichtiger Erfolgsfaktor des Unternehmens war, ist und bleiben wird. Die kurzen, attraktiven Samstagvormittagsschichten, die – außerhalb des Jahresarbeitszeitkontos – mit Mehrarbeitszuschlägen vergütet werden, sind beliebt und werden bei Bedarf gerne freiwillig geleistet.
Die Jahressonderzahlungen werden analog zum Flächentarifvertrag gezahlt.
3.2. Im Fokus: Monatseinkommen statt Grundentgelt
Aufgrund von Good Pay und der Betrachtung des Monatseinkommens, statt „nur“ des tariflichen Grundentgeltes mit Leistungsentgelt, d. h. unter Berücksichtigung der attraktiven Zeitzuschläge, war der Stundenlohn attraktiv und mehr als wettbewerbsfähig. Hinzu kam, dass das Monatseinkommen auf einer 40-Stundenwoche statt einer tariflichen 35-Stundenwoche beruht. Das Unternehmen kann, auch in Zeiten des Facharbeitermangels und des den Anforderungen der Generation Z an ihre Arbeit, mit Good Pay am Arbeitsmarkt bestehen.
4. Fazit
Good Pay ist – wie gezeigt – ein „passgenauer Maßanzug“ und kein Entgeltsystem „von der Stange“. Die Passgenauigkeit, zugeschnitten auf die Wettbewerbssituation, die Erfolgsfaktoren und die Arbeitsprozesse sowie die Mitarbeiterführung und Werte des Unternehmens, garantieren die Wettbewerbsfähigkeit. Mit Good Pay hat die Personalabteilung ein Instrument in der Hand, mit dem sie Personalpolitik gestalten kann. Sie muss nicht ein „übergestülptes“ Entgeltsystem des Flächentarifvertrages „stupide“ umsetzen wie ein neues Lohnsteuergesetz oder eine Änderung in der Sozialversicherung.
5. Weiterführende Literatur
Eyer, E.: Good Pay: Vergütungssysteme betriebsspezifisch, gerecht und fair gestalten. In: Wirtschaftspsychologie 4/2020. Deutscher Psychologenverlag, Berlin, Seite 20 – 25
Eyer, E.: New Pay – alter Wein in neuen Schläuchen. In: Arbeit und Arbeitsrecht 03/2020, Huss Medien, Berlin, Seite 189
Eyer, E.: New Pay. In: Arbeit und Arbeitsrecht 08/2020, Huss Medien, Berlin, Seite 481 - 483
Eyer, E.: New Work in der Produktion. In: Arbeit und Arbeitsrecht 07/2020, Huss Medien, Berlin, Seite 422 – 425
Ockenfels, den 03.03.2023
Eckhard Eyer