Spot-Bonus: Das Leistungsentgelt der Zukunft?


Spot-Bonus: Das Leistungsentgelt der Zukunft?

Der Spot-Bonus erfreut sich in vielen Unternehmen zunehmender Beliebtheit als Element im monetären Belohnungsportfolio. Er gilt als Form der variablen Vergütung, die mit vergleichsweise geringem administrativem Aufwand verbunden ist. Doch ist das zutreffend? Henryke Brade, Journalistin aus Potsdam, interviewte hierzu Eckhard Eyer, Vergütungsberater, Wirtschaftsmediator und Fachautor, zum Thema Spot-Bonus.

Henryke Brade: Herr Eyer, Spot-Boni werden zunehmend als ein leicht zu administrierendes, individuelles Leistungsentgelt gepriesen, wie sehen Sie das?

Eckhard Eyer: Ich habe die Aktualität der Spot-Boni in der Fachpresse mit Interesse wahrgenommen, die Begründung „administrativ einfacher“ jedoch mit einer gewissen Verwunderung und Skepsis registriert.

Henryke Brade: Worüber waren Sie verwundert?

Eckhard Eyer: Als BOSCH-Chef Volkmar Denner im Herbst 2015 ankündigte, den individuellen Bonus im AT-Bereich abzuschaffen, markierte das eine Kehrtwende in der Diskussion über variable Vergütung. Der Paradigmenwechsel wurde u. a. mit dem hohen administrativen Aufwand und dem Auseinanderfallen der individuell festgestellten guten Leistung der AT-Mitarbeiter und dem nicht immer guten Team- oder Bereichsergebnis begründet. Es schien, als hätte die individuelle Leistung, der individuelle Leistungsanreiz, ausgedient. Nun stellt man fest, dass der Schritt richtig war, weil unter den Rahmenbedingungen der Digitalisierung ein Teambonus sinnvoller ist als der individuelle Bonus. Man stellt aber auch fest, dass es Leistungsunterschiede zwischen den Mitarbeitern gibt, die man nicht vernachlässigen darf. Hier greift nicht selten der – vermeintlich administrativ einfache – Spot-Bonus, der als eine Ergänzung des Teamleistungsentgelts, ganz im Ermessen der Führungskraft und ihres Budgets, gezahlt werden kann.

Henryke Brade: Diese Entbürokratisierung ist doch gut, oder?

Eckhard Eyer: Wenn das so einfach wäre, hätten Sie recht. Wenn die Spot-Boni im individuellen Ermessensspielraum liegen, dann gibt es keine Transparenz, weder für die Mitarbeiter noch für die Führungskräfte, auch nicht untereinander. Es fehlt der gleiche Maßstab und somit auch die „Eichung“ der Führungskräfte, z. B. in Seminaren. Die AT-Mitarbeiter beginnen dann zu registrieren wer für was, für welche Leistung, einen Spot-Bonus bekam und sie vergleichen, um zu ergründen, was für ein System hinter den Spot-Boni steht. Sie bewerten was „gerecht“ und was „ungerecht“ ist. Das schafft nicht zwingend Motivation, eher ist das Gegenteil der Fall. Spätestens an dieser Stelle schaltet sich – aus guten Gründen – üblicherweise der Betriebsrat ein und fordert ein transparentes, berechenbares System, damit die AT-Mitarbeiter wissen, worauf es beim Spot-Bonus ankommt. Und wenn die Spot-Boni – ergänzend zum tariflichen Leistungsentgelt – auch auf die tariflichen Mitarbeiter ausgedehnt werden, ist der Betriebsrat erst recht mit im Boot. Die rechtliche Absicherung der Bonuszahlungen verursacht dann einen gewissen administrativen Aufwand. Ich bin nicht sicher, ob der geringer ist als der bisherige Aufwand. Sie verstehen nun meine anfängliche Verwunderung und Skepsis.

Henryke Brade: Warum wird dann – häufig im Kontext von New Pay – der Spot-Bonus so positiv beschrieben.

Eckhard Eyer: Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen mit Spot-Boni und dem, was ich in Fachveröffentlichungen lese, handelt es sich meist um junge und kleine – selten produzierende – Unternehmen mit einer relativ homogenen Mitarbeiterschaft aus den Generationen Y und Z. Die Mitarbeiter in diesen Unternehmen sind es gewohnt, dass alle Themen auf den gemeinsamen Tisch kommen, vielleicht sollte ich besser sagen „in den gemeinsamen Stuhlkreis kommen“. Dort wo einmal im Monat basisdemokratisch die Strategie des Unternehmens und ihre operative Umsetzung diskutiert wird, wird auch der Spot-Bonus für einzelne Mitarbeiter besprochen und über die Höhe und Auszahlungsform gemeinsam entschieden. Das in diesem Kontext entwickelte transparente Spot-Bonus-System wird von allen Mitarbeitern getragen. Dieses Verfahren ist administrativ nicht aufwändig, aber emotional und gruppendynamisch nicht immer einfach, wie Betroffene berichten.

Henryke Brade: Haben diese Unternehmen keinen Betriebsrat?

Eckhard Eyer: Diese Unternehmen haben nach meiner Erfahrung grundsätzlich keinen Betriebsrat, das passt nicht zu ihrer Unternehmenskultur. Sie brauchen ihn auch nicht, denn sie haben oft eine Teamführung und somit den direkten Zugang auf Augenhöhe zu der Geschäftsführung. Nicht selten sind die Mitarbeiter auch Gesellschafter der GmbH und Mitunternehmer. Man könnte die pointierte Frage stellen, ob es sich bei den monatlichen Meetings um eine Mitarbeiterbesprechung oder eine Gesellschafterversammlung handelt. Was es wirklich ist, sieht man auf der Einladung und der Tagesordnung des Meetings. In diesem Kontext haben sich Spot-Boni, nicht selten in Zeit ausgezahlt, bewährt.

Wichtig ist, dass die Unternehmen sparsam mit dem Instrument Spot-Bonus umgehen und sich nicht die fatale Haltung schaffen, die da heißt: „Was bekomme ich, wenn ich das oder das mache?“ Damit wäre die wichtige intrinsische Motivation zerstört. Der Spot-Bonus sollte eine zusätzliche, nachgelagerte Belohnung sein.

Henryke Brade: Sind Spot-Boni nur etwas für Startups?

Eckhard Eyer: So würde ich das nicht sagen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann ist der Spot-Bonus ein geeignetes, gutes Instrument zur Leistungsvergütung. Denken Sie z. B. an Handwerksbetriebe mit 15 oder 20 Mitarbeitern, die praktisch – ohne es so zu nennen – ihren Mitarbeitern seit Jahren Spot-Boni zahlen. Jedes Unternehmen muss sich fragen, ob die eigenen Rahmenbedingungen zu einem Spot-Bonus passen bzw. ob man sie entsprechend weiterentwickeln kann. Wichtig ist, dass ein Spot-Bonus–System für Mitarbeiter und Führungskräfte transparent und berechenbar ist. Berechenbar und damit auch nicht willkürlich. Schließlich soll nach dem Gleichheitsgrundsatz Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden.

Henryke Brade: Vielen Dank für das spannende Interview.

 

Ockenfels, den 30.10.2023
Eckhard Eyer

www.eyer.de

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