Leistungsentgelt in der Industrie 4.0 neu definieren


Verfasser: Eckhard Eyer, Perspektive Eyer Consulting, Ockenfels

Nach den Gesetzen der Physik ist Leistung gleich Arbeit dividiert durch Zeit. Je größer die in einer bestimmten Zeit erbrachte Arbeit ist, desto höher ist – für einen Arbeitswirtschaftler in produzierenden Unternehmen – die Leistung.

Im Akkordlohn und bei der Leistungsprämie aufgrund der Arbeitsproduktivität wurde und wird dieses Prinzip mit Perfektion umgesetzt. Die Leistung bemisst sich nach der Anzahl der bearbeiteten Teile multipliziert mit der Vorgabezeit dividiert durch die dafür benötigte Arbeitszeit. Die Begriffe sind bisher sauber definiert, Teile werden gezählt, die Vorgabezeit mit der MTM- oder REFA-Methode ermittelt und die Arbeitszeit mit der Stechuhr gemessen.

Bei der Erfassung von Leistung stellt sich die Frage, ob bei den in Echtzeit optimierten Wertströmen in der Industrie 4.0 die Leistung sinnvollerweise noch in Stück und Zeit gemessen wird. Wenn Kundenwünsche individuell und schnell erfüllt werden und so ein Mehrwert für den Kunden generiert wird, für den er auch bereit ist mehr zu zahlen, dann lohnen sich häufiges Umrüsten und damit auch höhere Rüstzeiten. Die Arbeitsproduktivität – gemessen in Stück mal Vorgabezeit dividiert durch die Arbeitszeit – sinkt, aber der betriebswirtschaftliche Erfolg steigt bei entsprechenden Preisen. Betriebswirtschaftliche Leistungsgrößen auf Basis des Wertgerüstes werden – wegen der Berücksichtigung des höheren Preises – aussagefähiger als arbeitswirtschaftliche Leistungsgrößen, die auf Menge und Zeit basieren. Rohertrag je Arbeitsstunde und die Wertschöpfung je Arbeitsstunde werden für die Leistungsermittlung interessant.

Auch die Erfassung der Arbeitszeit wird in der Industrie 4.0 komplexer. Es beginnt schon mit der Frage „Was ist Arbeitszeit und wie wird sie erfasst?“ Ist es die Zeit, die der Mitarbeiter im Unternehmen ist und die mit der Stechuhr erfasst wird? Wie wird die Zeit berücksichtigt, die der Mitarbeiter in seiner Freizeit oder auf dem Weg zur Arbeit ist und während der er schon einmal auf das Display seines Handys oder auf seinen Laptop schaut um zu sehen, ob in der Firma alles i. O. ist, und ggf. entsprechende Maßnahmen vornimmt? Ist diese Zeit Arbeitszeit oder Bereitschaftszeit? Was, wenn es nicht beim Kontrollblick bleibt, weil der Mitarbeiter ins Werk muss, um die Anlagen wieder zum Laufen zu bringen?

Arbeitszeit, Bereitschaftszeit und Rufbereitschaft sind sauber abzugrenzen und entsprechend bei der Ermittlung des Leistungsentgeltes zu berücksichtigen. Ein andere Möglichkeit wäre, davon auszugehen, dass die Arbeitszeit, die im Arbeitsvertrag vereinbart ist und die monatlich vergütet wird – unabhängig vom Arbeitsort und der Tageszeit – die Arbeitszeit ist, die bei der Ermittlung des Leistungsentgeltes zugrundegelegt wird. Analogien zur Vertrauensarbeitszeit sind gegeben.

Die Industrie 4.0 ist nicht nur in technologischer und organisatorischer Hinsicht eine Herausforderung für die Unternehmen sondern auch in arbeitswissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht für Management und Betriebsräte, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften.

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