Keine Entgeltpolitik mit der Vorgabezeit


Verfasser: Eckhard Eyer, Perspektive Eyer Consulting, Ockenfels

Ziel der Produktion ist es, den Kunden Produkte in der vereinbarten Lieferzeit und Qualität zu akzeptablen Preisen zur Verfügung zu stellen. Gerade in der sich jetzt abschwächenden Konjunktur ist einerseits eine optimal gestaltete Fertigung sowie andererseits ein motivierendes und gerechtes Personal- und Leistungsmanagement notwendig. Leistungskennzahlen und Entgeltzuschläge müssen das reale Betriebsgeschehen zuverlässig abbilden und eine motivierende Wirkung entfalten.

Produktivität in der Fertigung kann mit entsprechenden Leistungskennzahlen (KPI – Key Performance Indicator) gemessen und als Steuerungskennzahl für das Handeln der Führungskräfte und Mitarbeiter zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Dabei lässt sich die Produktivität als die Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter und/oder als die Produktivität der Anlagen – z. B. auf Basis der Overall Equipment Effectiveness (OEE) – ermitteln.

Leistungskennzahlen und Entgeltzuschläge

Nicht selten werden bereits bei der Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsprozesse geeignete Methoden und Systeme eingesetzt. Beispielsweise lassen sich mit „Human Work Design“ von MTM bereits beim Aufbau der Fertigung optimale Prozesse und ergonomische Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter gestalten. Dieses Vorgehen bietet auch die Möglichkeit, Vorgabezeiten für die neu gestalteten Arbeitsprozesse aus dem „System vorbestimmter Zeiten“ zu ermitteln. Vorgabezeiten finden wiederum Verwendung in der Personalbemessung. Auf diese Weise lassen sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Kosten der Fertigung und damit die Herstellkosten ermitteln.

Normleistung und tarifliche Bezugsleistung

Mit den Systemen vorbestimmter Zeiten wurden bereits vor Jahrzehnten internationale Arbeitszeitstudien durchgeführt, die allerdings – aus nachvollziehbaren Gründen – nicht auf das deutsche Arbeitsrecht abgestimmt waren.

Die Arbeitswissenschaft in Deutschland, insbesondere vertreten durch REFA, definierte die REFA-Normalleistung in den 1950er-Jahren. Sie ist bis heute die Basis für die Personalbemessung und die Leistungsmessung beim Leistungsentgelt. Beispielsweise bezieht sich das tarifliche Grundentgelt beim Akkordlohn auf die Normalleistung. Bei dem Entgelt-Rahmen-Abkommen für Arbeiter und Angestellte (ERA) in der Metall- und Elektroindustrie aus dem Jahr 2003 bildete die REFA-Normalleistung die Basis für die Definition der tariflichen Bezugsleistung (auch tarifliche Bezugsbasis und tarifliche Leistungsbasis genannt). Die REFA-Normalleistung und damit auch die tarifliche Bezugsleistung liegen unterhalb der Durchschnittsleistung. Mitarbeiter erzielen deshalb in der Regel ein Leistungsentgelt, das – ja nach Tarifgebiet – durchschnittlich 10 %, 14 % oder 15 % des tariflichen Grundentgelts beträgt.

Die Normleistung der Systeme vorbestimmter Zeiten liegt – bedingt durch ihre Erhebung und die Auswertung der Basisdaten – oberhalb der tariflichen Bezugsleistung. In den Unternehmen, die Systeme vorbestimmter Zeiten anwenden, wird deshalb mit den Betriebsräten bei der Festlegung von Prämien auch vereinbart, welchem Leistungsniveau, bezogen auf die die tarifliche Bezugsleistung, die Normleistung der Systeme vorbestimmter Zeiten entspricht. Wie die Erfahrung zeigt, ist dieser Prozess nicht unpolitisch und hängt auch von der Wettbewerbssituation des Unternehmens und der Situation am Arbeitsmarkt ab.

Entgeltpolitik mit der Vorgabezeit

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn sich die Personalabteilung und das Industrial Engineering mit dem Betriebsrat auf eine angemessene Kalibrierung von Leistung und Entgelt für die Erbringung der Normleistung – die über der tariflichen Bezugsleistung liegt – einigen. In einigen Unternehmen wird hierbei mit Zuschlägen gearbeitet. Entscheidend ist, ob diese Zuschläge die Vorgabezeiten verlängern oder ob sie die Höhe des Leistungsentgelts – die Prämie – erhöhen.

Die Erfahrung zeigt, dass die angemessene Kalibrierung und die Generierung eines Entgeltzuschlags der richtige Weg sind, insbesondere dann, wenn die Zuschläge als „entgeltpolitische Zuschläge“ oberhalb der Differenz von Normleistung und tariflicher Bezugsleistung liegen. Entgeltpolitische Zuschläge auf die Vorgabezeit unterminieren eine korrekte Datenbasis, die zur Steuerung der Fertigung und der Führung des Unternehmens unerlässlich sind. Darüber hinaus sind Korrekturen von Zeitzuschlägen in der betrieblichen Praxis besonders schwierig zu realisieren, weil es in der betrieblichen Auseinandersetzung nicht nur um Korrekturen der Entgelthöhe geht, sondern zusätzlich um das Thema Arbeits- und Leistungsverdichtung.

Fazit

Leistungskennzahlen und eine korrekte Datenbasis sind zum Steuern der Fertigung und zum Führen eines Unternehmens unerlässlich. Beim Verknüpfen von Leistung und Entgelt, auf der Basis der tariflichen Bezugsleistung, ist darauf zu achten, dass zum einen „nur“ die echte Differenz zwischen tariflicher Bezugsleistung und der Normleistung von Systemen vorbestimmter Zeiten durch Zuschläge ausgeglichen wird und andererseits – insbesondere bei entgeltpolitischen Zuschlägen – die Entgelthöhe und nicht die Vorgabezeiten mit Zuschlägen versehen wird.

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