Transparenz im Leistungsentgelt


Verfasser: Eckhard Eyer, Perspektive Eyer Consulting, Ockenfels

ERA-Tarifverträge sehen betriebswirtschaftliche Kennzahlen beim Leistungsentgelt vor

Die Industrie 4.0 ist nicht nur in technologischer und organisatorischer Hinsicht eine Herausforderung für die Unternehmen, sondern auch bezüglich der Definition von Leistung und der Leistungsmessung. Die Personal- und Industrial-Engineering-Abteilungen sowie die Betriebsräte stehen hier vor einer großen Herausforderung. Sie müssen die Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Einführung der Industrie 4.0 schaffen.

Bei der Entwicklung der Formen des Leistungsentgeltes und der Leistungskennzahlen in den letzten Jahrzehnten ist eine immer höhere Komplexität zu beobachten. Bei dieser Entwicklung wanderte der Fokus der Betrachtung von der Verrichtung der einzelnen Mitarbeiter am Arbeitsplatz über die Gruppenaufgabe hin zu umfangreichen Produktionsprozessen. Die Interessen von Arbeitgeber, Betriebsrat und Mitarbeitern wurden so schrittweise immer kongruenter. Bei fast allen Leistungskennzahlen war die erfasste Arbeitszeit der Mitarbeiter im Unternehmen die Basis der Leistungsmessung.

Alle Formen des Leistungsentgeltes basieren bislang auf einer arbeitswirtschaftlichen Datenermittlung, die von Zeit und Menge ausgeht.

Bild 1: Entwicklung der Leistungsentgeltformen und Leistungskennzahlen (Auszug)

Mit der zunehmenden Komplexität der Leistungskennzahlen, z. B. OEE in Ganzheitlichen Produktionssystemen, stößt für die einzelnen Werker vor Ort die Transparenz dieser Leistungskennzahlen an ihre Grenzen. Die Vielzahl der Parameter und ihre mathematische Verknüpfung sind einerseits nicht einfach zu durchschauen, andererseits wissen die Mitarbeiter trotzdem, auf welche Parameter es ankommt – auch ohne die Formel im Einzelnen erklären zu können.

Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, ob andere Leistungskennzahlen, die nicht wie die vorliegenden und praktizierten arbeitswirtschaftlichen Leistungskennzahlen induktiv aufgebaut sind, sondern deduktiv vom Ergebnis her abgeleitet werden, aussagefähiger und für den Mitarbeiter transparenter und besser verständlich sind.

Ein wichtiger Leistungsaspekt in der Industrie 4.0 ist eine hohe Prozesstransparenz und die Möglichkeit, in Echtzeit planen zu können. Damit können auch Kundenwünsche schneller erfüllt werden als bisher. Dieser Vorteil, der allerdings zu Mehrkosten in der Produktion aufgrund von zusätzlichen Rüstvorgängen usw. führt, kann durch einen höheren Preis gerechtfertigt werden. Dieser Preisvorteil lässt sich jedoch nur schwer mit den arbeitswirtschaftlichen Parametern Menge und Zeit abbilden. Betriebswirtschaftliche Leistungskennzahlen, die die Leistung der Mitarbeiter widerspiegeln und ihnen handlungsrelevante Informationen geben, können dagegen diese Lücke schließen.

Die ERA-Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie sehen betriebswirtschaftliche Leistungskennzahlen vor und nennen einige beispielhaft im Tarifvertrag und den ERA-Kommentaren (Bild 2).

Bild 2: Betriebswirtschaftliche Leistungskennzahlen im ERA-Tarifvertrag und den dazugehörigen Kommentaren (Auszug)

Mit diesen Regelungen in den Entgeltrahmentarifverträgen – aus dem letzten Jahrzehnt – haben die Tarifvertragsparteien die Tür zur Nutzung bzw. zum Übergang von arbeitswirtschaftlichen zu betriebswirtschaftlichen Leistungskennzahlen geöffnet. Anstelle komplexer induktiv entwickelter Leistungskennzahlen (wie z. B. der OEE) bieten sich nun betriebswirtschaftliche Leistungskennzahlen wie z.B. der Rohertrag je Arbeitsstunde und die Wertschöpfung je Arbeitsstunde an.

Es sind spannende Zeiten für Management und Betriebsräte, Führungskräfte und Mitarbeiter. Sie müssen in der Metall- und Elektroindustrie, der Chemischen Industrie aber auch in Dienstleistungsunternehmen Antworten auf die flankierenden Maßnahmen zur Industrie 4.0 geben, damit diese tatsächlich zu dem prognostizierten Erfolgsmodell wird.

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