„Big Data“ – der Begriff ruft nicht nur Datenschützer auf den Plan, sondern löst bei vielen schlimme Befürchtungen aus – Stichwort „gläserne Menschen“. Für die Unternehmen aber, die riesige Datenmengen von Maschinen und Prozessen erheben und interpretieren können, ist Big Data die Möglichkeit, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und vorausschauende Dienste anzubieten. „Es wäre riskant, wenn die hiesigen Unternehmen die Digitalisierung unbeteiligt an sich vorbeiziehen lassen und am Ende eine böse Überraschung erleben“, meint Jürgen Paschold vom Unternehmerverband. Aus diesem Grund greifen Hochschule, Wirtschaftsförderung Bocholt und Unternehmerverband das Thema Industrie 4.0 bei Netzwerktreffen auf. Nun stand das 4. Forum zum Thema „Cloudbasierte Servicesysteme“ auf dem Programm; rund 65 Unternehmer und Studierende kamen dazu auf dem Campus Bocholt zusammen.
In drei Themenblöcken berichteten Referenten der Insinno GmbH, der ThyssenKrupp AG und der General Electric (GE) von ihren Erfahrungen und der praktischen Nutzung von „Big Data“-Anwendungen. „Die Digitalisierung ist eine große Chance für Unternehmen, die diese auch als solche erkennen“ so Sven Kummert von der insinno GmbH aus Heidelberg. Durch neu entwickelte, digitale Geschäftsmodelle werden bestehende analoge Prozesse im Unternehmen digitalisiert und individualisiert. „Besonders der Maschinen- und Anlagenbau sowie die Instandhaltung profitieren von diesen Verbesserungen.“ Sein Credo lautet: „Wer Trends und zukunftsweisende Lösungen aus dem Consumer-Bereich in die Geschäftswelt überträgt, wem das gelingt, der hat die Nase vorn und wird langfristig erfolgreich sein.“
Um einen reibungslosen Transport zu gewährleisten, greift ThyssenKrupp auf Millionen von Sensoren erfassten Messwerten zurück, um Rückschlüsse über die Funktion der Aufzüge ziehen zu können. „Dabei ist auch die ständige Verfügbarkeit der Aufzüge für uns selbstverständlich geworden“, so Sascha Frömming von ThyssenKrupp Elevators. Die Kunst dabei sei es, aus vielen Daten die relevanten Informationen zu gewinnen, damit der Servicetechniker alle in Frage kommenden Ersatzteile beim Wartungseinsatz mitnehmen kann. Wie das funktioniert, zeigte Frömming an einem Pilotprojekt: „Wir generieren bei einem Störungsfalls aus den Daten die fünf wahrscheinlichsten Störungsursachen. Die vor Ort tatsächlich gefundene Störung befand sich immer unter den ersten dreien.“ Mit Big Data wolle ThyssenKrupp die Vorhersagen präzisieren und die Ausfallzeiten von Aufzügen weltweit halbieren.
Auch für das Unternehmen GE Renewable Energy stehen alle Zeichen auf „Big Data“. So lassen sich in Echtzeit gebündelte Informationen von Windparks, die durch GE betrieben werden, auf der ganzen Welt von jedem Ort aus abrufen. Dabei spielt die Identifikation „Welche Daten brauchen wir?“ und die Strukturierung der Daten eine wesentliche Rolle; „daher ist sie auch eine der größten Herausforderungen bei Big Data“, so Christian Becke von GE.
Insgesamt waren sich alle Teilnehmer des Forums Industrie 4.0 einig, dass der „Durst nach Daten“ immer größer wird. „Cloud-Technik ist eine Option überall dort, wo viele, örtlich verteilte Daten zunächst zusammengeführt werden müssen, um sie durch vielfältige Big-Data-Algorithmen auszuwerten. So entstehen aus Daten Informationen etwa für den Vertrieb, die Produktion, die Entwicklung oder auch den Service“, so Prof. Dr. Gerhard Juen von der Westfälischen Hochschule Bocholt.
Ludger Dieckhues von der Wirtschaftsförderung Bocholt freute sich auch über die angeregte Diskussion mit den hiesigen Unternehmern, Werksleitern und IT-Spezialisten: „Diese konkreten Anwendungsbeispiele konnten weitere vertiefende Einblicke der Digitalisierung im industriellen Umfeld zeigen.“ – Das Bild zeigt Referenten und Organisatoren des 4. Forums „Industrie 4.0“
Das Netzwerk Industrie 4.0 „Von der Vision in die Praxis“ startete im Januar 2016. Organisatoren sind der Unternehmerverband, die Wirtschaftsförderung Bocholt und die Westfälische Hochschule. Der nächste Termin des Netzwerks findet im Herbst statt.