Black Box


Black Box

Mit dem Begriff „Black Box“ wird im alltäglichen Sprachgebrauch ein Verfahren bezeichnet, das nicht nachvollziehbar ist, oder eine Organisation, die für Außenstehende undurchsichtig bleibt.

 



Charakteristika der Black Box

Bei der systemtheoretischen Betrachtung in der Wissenschaft – etwa in der Psychologie, der Kybernetik oder der Informatik – wird eine Black Box als (komplexer) Vorgang oder Ablauf angesehen, dessen Funktionsweise unklar ist: Die Abläufe im Inneren des „schwarzen Kastens“ sind unbekannt oder werden (zunächst) bei der Analyse eines Systems nicht berücksichtigt und aus der Betrachtung ausgeklammert.

Charakteristisch für eine Black Box ist, dass ein Input darin nach unbekannten Regeln oder Methoden verarbeitet wird und zu einem Output führt. Der Input auf der Eingabeseite kann aus einem Reiz oder Stimulus bestehen oder aus der Zufuhr von Energie, Materie, Information oder Daten. Diese materiellen und/oder immateriellen Eingaben werden in der Black Box verarbeitet oder umgewandelt. Daraus entsteht ein Output. Auf der Ausgabeseite erfolgt eine Reaktion, Response (Antwort) oder Aktion bzw. die Bereitstellung von Energie, Materie, Information oder Daten in neuer Form.

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Die Wertschöpfungskette als Black Box

Die Abnehmer von Sachgütern oder die Bezieher einer Dienstleistung interessiert oft nur die Qualität und der Preis des erhaltenen Produkts oder die Schnelligkeit des Bezugs. Die Wertschöpfungskette ist dabei oft uninteressant und bleibt im Dunkeln.

Dabei reicht die gesamte Supply Chain von der Gewinnung der Rohstoffe sowie deren Transport und Veredelung über die Produktion des Sachguts bis hin zur Auslieferung an den Handel und die Übergabe an den Endverbraucher. Der auf diese Weise „End-to-End“ (E2E) zurückgelegte Weg und der sich damit ergebende ökologische und soziale Fußabdruck bleiben für die Kundschaft – ob Privatperson oder Geschäftspartner – eine Black Box. Nachgefragt wird selten – und wenn, sind die Antworten oft nicht befriedigend.

Dies gilt gerade für die globalisierten Warenströme und Dienstleistungen: Unter welchen Bedingungen an welchem Ort was wann genau geschieht, ist für Außenstehende meist nicht zu erkennen. Ebenso bleibt in vielen Fällen verborgen, welche Organisationen beteiligt sind und wie die Produktionsfaktoren – Menschen, Maschinen und Materialien – an den unterschiedlichen Standorten eingesetzt werden. Eine Beurteilung oder Einschätzung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen der Einflüsse in der Wertschöpfungskette wird in dieser Black Box beliebig schwierig.

Das Unternehmen als Black Box

Für einen Kunden, der ein Sachgut erwerben möchte oder Bedarf an einer Dienstleistung hat, ist das Unternehmen, das dieses Angebot als Output erzeugt, als System eine Black Box. Die Abläufe, die in der Organisation der Wertschöpfung dienen und zur Bereitstellung der gewünschten Leistung führen, sind ihm nicht bekannt – es besteht bestenfalls eine grobe Vorstellung von den Zusammenhängen.

Ein Kunde liefert als Nachfrager den Input in Form der Bestellung eines Sachguts, durch den Kauf einer Ware oder durch die Veranlassung einer Dienstleistung. Damit beginnt der Prozess der Herstellung oder Bearbeitung. Dieser ist selbst bei einem individualisierten Produkt – beispielsweise bei einem vom Kunden auf der Webseite des Herstellers konfigurierten und bestellten Automobil, aber auch bei Vorgängen wie der Bearbeitung eines Antrags – für den Besteller unerheblich. Wichtig ist für ihn der Output: die Lieferung des Fahrzeugs in der gewählten Ausstattung zum vereinbarten Termin und zum zugesicherten Preis oder die fristgerechte Bewilligung des Antrags.

Das Produkt als Black Box

Für ein Unternehmen, das komplexe Bauteile oder Module von externen Zulieferern bezieht, sind diese Produkte oftmals eine Black Box. Die Konstruktion sowie die bei der Fertigung verwendeten Materialien und Teile von zum Beispiel Elektronikbauteilen, die als Steuerungselemente in Kraftfahrzeuge eingebaut werden, sind für einen Hersteller von Automobilen von geringer Bedeutung. Wichtig ist dagegen für ihn die Erfüllung der im Anforderungskatalog definierten technischen Spezifikationen: Leistungsmerkmale, Abmessungen und Schnittstellen müssen eingehalten werden, damit die Black Box ihre Funktion erfüllen und am beabsichtigten Platz wie vorgesehen mit dem System verbunden werden kann. Treffenderweise wird diese Art der Fertigung von Zulieferteilen von Lieferantenseite „Black-Box-Produktion“ genannt.

Aber nicht nur im Business-to-Business- (B2B- )Geschäft, auch im Geschäft mit Endverbrauchern (Business-to-Consumer, B2C) ist das verkaufte Produkt meist eine Black Box, wenn es etwas komplexer ist. Was in einem technischen Gerät im Inneren abläuft, ist für die Kunden von geringem Interesse, wenn es die gewünschte Funktionalität und Gebrauchsfähigkeit aufweist und die Produktsicherheit gewährleistet ist. In vielen Fällen sorgen die Produzenten von elektrischen oder elektronischen Geräten sogar dafür, dass ein Öffnen der Black Box unmöglich ist, damit keine Reparaturen durchgeführt werden können. Speziell in den Bereichen Kommunikationselektronik und Haushaltskleingeräte werden so Neuanschaffungen ausgelöst.

Die Black Box als Gegenstand der Systemanalyse

Ein System ist eine abgrenzbare Funktionseinheit, die eine bestimmte Aufgabe erfüllt. Die Systemanalyse befasst sich mit der planmäßigen Untersuchung und Bewertung eines solchen Systems.

Das System wird dabei zunächst als Black Box angesehen, um sich auf die von außen auf das System wirkenden Einflüsse und die nach außen erkennbar werdenden Auswirkungen zu konzentrieren. Bestimmt wird also die über die Systemgrenzen hinausgehenden Zusammenhänge. Gemessen werden dazu zunächst nur die Input-Output-Beziehungen nach dem EVA-Prinzip, also in Bezug auf Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe.

Analysieren lassen sich nach diesem Konzept nicht nur Sachgüter wie Geräte, Maschinen oder Anlagen. Der gleiche Ansatz kann auch genutzt werden, um eine soziotechnische Organisation, also eine aus Menschen und technischen Einrichtungen bestehende Einheit, zu untersuchen. Ob produzierendes Unternehmen, Dienstleistungsanbieter oder Amt ist dabei gleichgültig; als Black Box betrachtet werden kann ebenso gut die Produktionsabteilung in einem Unternehmen wie der ambulante Essensservice eines Pflegedienstes oder eine Dienststelle in der kommunalen Verwaltung.

Allgemein werden Systeme üblicherweise folgendermaßen dargestellt:

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Liegen Informationen über die Elemente der Black Box sowie ihre innere Struktur und die Funktionsweise vor, werden diese nach Aufstellung des Grundmusters sukzessive einbezogen. So wird es möglich, die Darstellung des Systems zu vervollständigen. Auf diese Weise können Teil- oder Untersysteme auf verschiedenen Systemebenen dargestellt werden. Informationen liefern technische (Aus-)Schnitt- oder Explosionszeichnungen, Produktspezifikationen oder Organigramme wie das der Aufbauorganisation der soziotechnischen Einheit.

Das Resultat ist ein Modell als abstraktes und damit unvollständiges Abbild der Realität; dies gilt gerade insbesondere für komplexe oder nicht-technische Systeme. Trotz der Unvollkommenheit des Modells lässt eine solche Systemanalyse Aussagen über Entwicklungen und Verhaltensweisen des Systems zu. Diese werden in Form von Szenarien dargestellt, wobei je nach Vollständigkeit und Genauigkeit der Informationen unter Umständen zwischen Best-Case-, Likely-Case- und Worst-Case-Szenarien unterschieden werden kann. Diese können als Grundlage dafür dienen, um über eine Um- und Neugestaltung von Prozessen und Strukturen nachzudenken.

Die Black Box beim Lean-Ansatz

Eine Systemanalyse kann durchgeführt werden, um einen Vorgang, Arbeitsablauf oder Auftragsdurchlauf zu untersuchen. Die Reduktion auf das Wesentliche – den Input und den Output – schafft die Freiheit, die Ebene der Verarbeitung, das System selbst, vollkommen neu zu denken und aufzustellen. Denn die Fixierung auf eine reine Verbesserung der bisherigen Lösung durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) oder das fortwährende Anstreben einer Optimierung der bestehenden Arbeitsbedingungen (Kaizen) kann überwunden werden: Die Eröffnung neuer Denkräume schafft die Möglichkeit eines auch radikalen Neuanfangs (Kaikaku).

Ein Beispiel für solch einen disruptiven Ansatz ist der Ersatz einer patriarchalisch-hierarchischen Führungskultur durch ein Lean Management mit selbstbewusst agierenden und für ihren Bereich verantwortlichen Mitarbeitern. Aber auch die Umstellung von einer Push-Strategie zu einer Pull-Strategie in der Produktion kann als Beispiel herangezogen werden: Mit dem Wechsel von der angebotsgetriebenen Serienfertigung, die in der Regel zu hohen und teuren Lagerbeständen führt, zu einer nachfragegetriebenen und damit kundenorientierten Fertigung ändern sich auch die Arbeitsumstände gravierend. Dabei steigt die Effizienz in der Produktion in vielen Fällen schon allein aufgrund der Vermeidung von Verschwendung (Muda).

Aber auch bei der kontinuierlichen Optimierung kann die Black Box helfen. Denn betrachtet man ein System als Black Box, kann es zunächst genau abgegrenzt und dann immer weiter analysiert und auf dieser Basis spezifiziert werden. Die Systemanalyse beruht dabei oft auf Daten, die automatisch auf Prozessebene und manuell durch Begehungen oder Befragungen erhoben werden. Automatisiert erfolgt die Datenerfassung unter anderem im Rahmen des Qualitätsmanagements. Manuell geschieht dies zum Beispiel durch Zeitaufnahmen (Methods Time Measurement, MTM), Multimomentaufnahmen (MMA) oder das Dokumentieren von Vorgangselementen. Wird ein Process Mining durchgeführt, werden die digitalen Datenspuren von Abläufen und Vorgängen verfolgt, die bei Transaktions- und Kommunikationsprozessen entstehen, und zur Bewertung des Prozesses genutzt. Hier kann auf Software-Systeme wie Enterprise-Resource-Planning- (ERP-), Produktionsplanungs- und -steuerungs- (PPS-) oder betriebswirtschaftliche Systeme wie SAP zurückgegriffen werden, aber auch auf Tabellenkalkulationsprogramme, Datenbanken oder Log-Files.

Die Auswertung der Daten liefert Anhaltspunkte für die Prozessoptimierung (Kaizen). Das Ziel ist die Steigerung der operativen Exzellenz, Compliance und Prozessqualität. Angestrebt werden kann aber auch eine grundlegende Neuausrichtung eines Ablaufs (Kaikaku), falls dies für notwendig erachtet wird.

Fazit

Black Boxes gibt es überall: in der Wissenschaft und der Technik ebenso wie im beruflichen und privaten Alltag. Denn oft ist nicht von Interesse, wie ein System funktioniert – wissen muss man nur, welchen Input es braucht, was der Output ist und welche Schnittstellen an den Systemgrenzen zur Umwelt bestehen.

Die Betrachtung eines Zusammenhangs als Black Box kann helfen, ein System unvoreingenommen zu bewerten und auf seine Funktion zu reduzieren. Die Fixierung auf das Zusammenspiel der scheinbar notwendigen, da vorhandenen Einzelteile wird so aufgehoben, daraus resultierende Denkblockaden werden gelöst. Dies eröffnet Freiräume für grundlegend neue Lösungsansätze. Diese können sich als Startpunkt für radikal andere, effektivere Verfahren erweisen, die Wettbewerbsvorteile versprechen.

Die Black Box kann auch genutzt werden, um ein System losgelöst von seinem Umfeld zu betrachten. Nach der Abgrenzung erfolgt eine Spezifizierung der Bestandteile. Deren sukzessive Analyse ist der Ansatzpunkt für eine Optimierung des bestehenden Systems. Die Prozessverbesserungen führen zu höherer Effizienz und zur Vermeidung von Verschwendung. So kann die eigene Position im Markt gestärkt werden.

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