Kaikaku


Kaikaku

Der japanische Begriff „Kaikaku“ bedeutet so viel wie tiefgreifende Änderung, umfassende Reform oder auch Revolution. Kaikaku steht für einen radikalen Wandel in einem engen Zeitfenster, um Muda – Verschwendung – zu beseitigen. Im Rahmen der Lean Production werden die angestrebten Optimierungen der Produktionsabläufe daher nicht als langwährender kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) im Streben nach einer permanenten Perfektionierung (Kaizen) durchgeführt, sondern als disruptive Transformation. Kaikaku wird deshalb auch „Kaizen-Event“, „Kaizen-Blitz“ oder „Durchbruchs-Kaizen“ genannt.

Kaizen vs. Kaikaku

Bei Kaizen handelt es sich um einen fortwährenden, langfristigen, evolutionären Prozess der ständigen kleinen Verbesserungen. In produzierenden Unternehmen setzen die Mitarbeiter als Experten an ihrem Arbeitsplatz – am Gemba, dem Ort des Geschehens, an dem die Wertschöpfung erfolgt – den Lean-Production-Ansatz um. Sie identifizieren Optimierungspotenziale und führen selbstständig, eigenverantwortlich und, falls nötig, unter gegenseitiger Abstimmung immer wieder kleine Änderungen durch, um die Gesamtanlageneffektivität (GAE) zu erhöhen und effizienter zu arbeiten. Initiiert wird Kaizen durch die Führungskräfte, durchgeführt wird es bottom-up durch die Beschäftigten.

Kaikaku weist dagegen Projektmerkmale auf: Anfang und Ende werden zeitlich festgelegt, das Ziel ist die Einführung effektiverer Strukturen und Arbeitsabläufe durch einen Prozess der disruptiven Veränderung. Kaikaku wird daher beispielsweise bei radikalen Change-Prozessen angewendet – wie der Einführung einer neuen, innovativen Technologie, einer völlig neuen Produktlinie oder der Umstrukturierung der Aufbau- oder der Ablauforganisation. Zugrunde gelegt wird dabei der sogenannte „3C-Ansatz“: Die bestehende Herausforderung (Challenge) soll mit revolutionären Änderungen in kurzer Zeit bewältigt werden. Das dazu notwendige Vorgehen erfordert Konsequenz, Kreativität (Creativity) und Mut (Courage). Initiiert, vorbereitet und durchgeführt wird Kaikaku daher vom Management, also top-down. Die Einflussmöglichkeiten der Mitarbeiter reduzieren sich auf die konkrete Umsetzung der Entscheidungen am Gemba.

Kaikaku oder Kaizen – je nach Bedarf

Kaizen und der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) setzen auf dem bestehenden System auf. Damit sind grundlegende Veränderungen nicht möglich; Kaizen kann so in eine Sackgasse führen.

Mit Kaikaku lässt sich das System selbst verändern. Dies kann von Zeit zu Zeit notwendig werden – etwa dann, wenn neue Technologien aufkommen und alte verdrängen. Dies ist beispielsweise auf dem Weg von der analogen Welt zum globalen digitalen Netzwerk, von der Schreibmaschine zum Computer oder vom Festnetztelefon zum Smartphone geschehen. Auf die veränderten Märkte oder Verbrauchergewohnheiten lässt sich dann nicht mit einer Anpassung der bestehenden Angebote reagieren, es bedarf völlig neuer, innovativer Ansätze.

Die Lean-Methode Kaikaku wird eingesetzt, um neue Strukturen und Vorgehensweisen zu etablieren, um auf die Umwälzungen zu reagieren und die wirtschaftliche Existenz einer soziotechnischen Organisation zu sichern. Nach einer solchen radikalen Transformation geht der Veränderungsprozess dann evolutiv weiter: Mit Kaizen können dann die neuen Abläufe wieder langfristig kontinuierlich verbessert und weiter angepasst werden.

Kaizen und Kaikaku sind dabei idealerweise Elemente einer ganzheitlichen Verbesserungsstrategie (Hoshin-Kanri). Mit beiden Methoden wird eine Optimierung der Abläufe in einer Organisation angestrebt. Dabei werden unterschiedliche Ansätze verfolgt: mit Kaizen ein operativer, mit Kaikaku ein strategischer. Beide Vorgehensweisen ergänzen sich und sind notwendig, um die Anpassungsfähigkeit der Einrichtung zu gewährleisten. Auch durch Kaizen perfektionierte Prozesse können an der Marktrealität vorbeilaufen. Dann müssen die bestehenden Verhältnisse durch Kaikaku grundlegend geändert und wieder zukunftsfähig ausgerichtet werden. Kaizen dient dann dazu, diese neuen Prozesse erneut zu optimieren.

Der Kaikaku-Prozess

Die Methode Kaikaku wird in der Regel in der Lean Production angewendet. Typische Beispiele sind der Umbau einer Fertigungsstraße auf eine neue Produktlinie, die Umstellung auf ein neues Verfahren oder ein neues Layout in der Produktion. Meist können drei Phasen unterschieden werden: die Vorbereitung der Umgestaltung, die eigentliche Neugestaltung und die Implementierung der neuen Abläufe oder Strukturen.

Vorbereitung:

  • Festgelegt wird, welcher Prozess oder welche Abläufe von der Umstellung betroffen sind.
  • Maßgeblich für die Umgestaltung sind die Vision des Unternehmens und seine strategischen Ziele.
  • Das Top-Management muss den radikalen Bruch initiieren, von dessen Notwendigkeit und Erfolg überzeugt sein und gegen Widerstände durchsetzen.
  • Die Angehörigen der oberen und der mittleren Leitungsebene werden informiert und eingebunden, zum Beispiel als Koordinationsstelle oder Steuerungsausschuss.
  • Das Vorgehen wird in Form von Projekten festgelegt.
  • Führungskräfte und Personal erhalten Schulungen zur notwendigen Qualifizierung.

Neugestaltung:

  • Vorhandene Anlagen und bestehende Abläufe werden analysiert.
  • Alternativen werden kreativ erarbeitet, nach Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten durchkalkuliert und bewertet.
  • Der – zum Beispiel mithilfe einer Entscheidungsmatrix – ausgewählte Vorschlag wird zur Basis der Neugestaltung.
  • Realisiert wird die Umgestaltung anhand eines Prototyps oder einer Pilotanlage.
  • Die Lösung wird evaluiert, um die Gebrauchstauglichkeit zu überprüfen.

Implementierung:

  • Die neuen Prozesse, Verfahren oder Abläufe werden eingerichtet und betrieben.
  • Die vor Ort beteiligten Mitarbeiter werden im Umgang mit den neu errichteten Anlagen geschult und eingewiesen.
  • Das Controlling überwacht die neuen Vorgehensweisen und überprüft deren Erfolg anhand von Kennzahlen.
  • Die neuen Abläufe werden per Kaizen kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert.

Kaikaku als Kaizen-Event

Kaikaku ist zeitlich begrenzt und wird typischerweise in fünf Tagen durchgeführt. Dieser sogenannte Kaizen-Event ist in der Regel wie folgt strukturiert:

  • Tag 1: Die Optimierungsmethoden werden eingeübt, etwa anhand des Toyota Produktionssystems (TPS).
  • Tag 2: Der Prozess, der zur Optimierung vorgesehen ist, wird analysiert. Dies erfolgt zum Beispiel durch Zeitaufnahmen (Zykluszeiten, Taktzeiten, Stillstandszeiten) und Wertstromanalysen.
  • Tag 3: Das Arbeitsplatzlayout wird geplant. Dazu gehören die Festlegung der Abfolge von Arbeitsschritten und die Anordnung der Anlagenteile.
  • Tag 4: Der neugestaltete Prozess wird getestet. Dabei werden die erfahrenen Mitarbeiter als Experten vor Ort einbezogen, um Schwachstellen und mögliche Engpässe zu identifizieren.
  • Tag 5: Die bisher erreichten Ergebnisse werden vor dem (Top-)Management präsentiert, auf noch offene Fragen wird hingewiesen.

Fazit

Kaikaku und Kaizen sind Lean-Methoden, die zusammen aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Ansätze zur angestrebten Perfektion führen: strategisch-revolutionär die eine, operativ-evolutionär die andere. Gerade wegen ihres entgegengesetzten Charakters haben beide zu bestimmten Zeitpunkten ihre Berechtigung.

Erst das Zusammenwirken der beiden Methoden ermöglicht es einer Organisation, sowohl kurzfristig als auch langfristig das Optimierungspotenzial auszuschöpfen.

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