Kaizen ist eine aus Japan stammende philosophische Grundhaltung, die alle Bereiche des Lebens abdeckt – den privaten ebenso wie den beruflichen. Der Begriff besteht aus den beiden Teilen „Kai“, Veränderung bzw. Wandel, und „Zen“, gut. Frei übersetzt ist damit die Veränderung zum Besseren gemeint, das permanente Streben nach (eigener) Perfektion.
Als Managementkonzept steht Kaizen für die fortwährende Verbesserung von Prozessen und Produkten.
Diese Perfektionierung läuft in kleinen Schritten ab – und zwar nicht top-down als Vorgabe der Leitungsebenen, sondern im Tätigkeits- und Verantwortungsbereich jedes einzelnen Mitarbeiters – ob Führungskraft oder Aushilfe – am Gemba, dem Ort des Geschehens, auf jeder Stufe.
Kaizen hat sich seit dem Beginn der 1990er-Jahre mit der Verbreitung der Lean-Strategien in Europa auch in Deutschland in vielen Unternehmen etabliert. Bekannt geworden ist dieser Ansatz unter dem Begriff „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ (KVP).
Leitprinzipien
Das Managementkonzept Kaizen beruht auf fünf Leitprinzipien:
- Prozessorientierung. Der Prozess – die Wertschöpfung – steht im Mittelpunkt. Die Ist-Situation muss immer wieder neu erfasst werden, um jederzeit einen aktuellen Überblick über den gegenwärtigen Stand zu haben und bei Vorkommnissen sofort reagieren zu können.
- mitarbeiterorientierte Führung. Teamarbeit ist essenziell für eine qualitativ hochwertige Ausführung der Tätigkeiten. Die Führungskräfte haben (unter anderem) die Aufgabe, Mitarbeiter – möglichst durch intrinsische Anreize – zu motivieren.
- betriebliches Vorschlagswesen. Alle Mitarbeiter sind in den Verbesserungsprozess zu integrieren, Ideen und Vorschläge sind zu prüfen. Fehler werden offen diskutiert und nicht sanktioniert.
- Weiterbildung. Mitarbeitern sind Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten, um geänderte Techniken und Prozesse zu beherrschen.
- Qualitätsmanagement. Die Prozesse müssen gut sein, um gute Ergebnisse zu liefern Grundursachen von Problemen sind zu identifizieren, um nachhaltige Maßnahmen zu deren Beseitigung einleiten zu können.
Grundlagen
Kaizen ist eine Säule des Lean-Ansatzes. Zentrale Forderungen sind dabei die Kundenorientierung und die Vermeidung von Verschwendung. Um diese Ansprüche erfüllen zu können, müssen die Mitarbeiter in alle Prozesse einbezogen werden. Das heißt, sie werden in ihrem jeweiligen Bereich selbstständig und eigenverantwortlich tätig – was in der Regel auch die Motivation steigert.
Um dieses Konzept unterstützen und realisieren zu können, sind die folgenden Aspekte als Vorgehensweisen zu etablieren.
Kundenorientierung
Alle Prozesse und Tätigkeiten werden auf die Anforderungen, Bedürfnisse und Erwartungen der Kundschaft ausgerichtet. Als Kunden angesehen werden hier alle Abnehmer von Sachgütern oder Dienstleistungen: Intern sind dies die nachgelagerten Stufen in der Produktion oder, allgemein, im Wertstrom zwischen Anlieferung und Versand („von Rampe zu Rampe“). Extern sind dies die Folgeglieder in der Wertschöpfungskette, der Handel oder die Endabnehmer bzw. Konsumenten. Jede Aktivität im Unternehmen wird als Kunden-Lieferanten-Beziehung definiert. Das Funktionieren dieser Unternehmenskultur beruht darauf, dass jeder Beteiligte seine eigene Leistung selbstkritisch betrachtet, analysiert und verbessert.
Prozessorientierung
Fokussiert wird der Prozess der Wertschöpfung, nicht das Ergebnis. Die Sicht reicht dabei über die Abteilungsgrenzen hinaus: Betrachtet wird der Gesamtprozess der Leistungserbringung. Die stetige Verbesserung sorgt für stabile Prozesse, bei denen die Verschwendung (Muda) minimiert wird. Die Gesamtanlageneffektivität (GAE) und damit die Effizienz steigt. Die Prozessoptimierung muss kontinuierlich nachgehalten werden, um auf sich ändernde Anforderungen flexibel und schnell reagieren zu können.
Qualitätsorientierung
Jedes Unternehmen legt seinen eigenen, individuellen Qualitätsstandard fest. Das Minimum bilden dabei die gesetzlichen Vorgaben, die geltenden Normen und technischen Regeln sowie die in einigen Branchen zu beachtenden „Good … Practices“ (GXP, beispielsweise GMP als Good Manufacturing Practices). Darüber hinaus können weitere Standards gesetzt werden, wie etwa (Lean) Six Sigma als Qualitätsziel und Qualitätsmaß. Die Qualitätsanforderungen beziehen sich dabei gleichermaßen auf Tätigkeiten wie auf Prozesse.
Kritikorientierung
Kritik wird als konstruktiv verstanden und als Grundlage für eine ständige Verbesserung angesehen. Jeder Mitarbeiter ist daher aufgefordert, Ideen und Vorschläge zur Perfektionierung einzubringen. Führungskräfte sind gefordert, diese Optimierungsansätze zu prüfen, Prozessumstellungen zu planen, bestmöglich umzusetzen, die Ausführung zu überwachen und letztlich zu bewerten. Damit ergibt sich ein Kreislauf aus Planung, Tätigkeit, Kontrolle und Verbesserung. Dieser ist auch als Deming-Kreis oder PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act) bekannt.
Standardisierung
Erweist sich eine vorgeschlagene Verbesserungsmaßnahme als geeignet zur Optimierung des betrachteten Prozesses, wird diese Änderung als Standard definiert und auch bei analogen Abläufen eingeführt. Der PDCA-Zyklus wird damit zum SDCA-Zyklus (Standardize, Do, Check, Act). Sobald die Standardisierung abgeschlossen ist, können weitere Verbesserungsvorschläge aufgegriffen werden.
Zielsetzung
Mit Kaizen werden unter anderem folgende Ziele angestrebt:
- Gewährleistung hoher Qualitätsstandards über alle Prozesse in der Wertschöpfung hinweg zur (Über-)Erfüllung der Kundenbedürfnisse. Das Ergebnis ist eine höhere Kundenzufriedenheit und damit Kundenbindung.
- Standardisierung der Arbeitsvorgänge. Dies führt zur Arbeitserleichterung bei den einzelnen Arbeitsschritten und verringert die Umstellungs- und Einarbeitungszeiten bei Personalwechseln.
- Vermeidung der Verschwendung von Ressourcen. Durch Einsparungen an Zeit, Material, Personal, Fläche, Transporten etc. wird die Nachhaltigkeit der Prozesse gesteigert. Zudem werden Kosten eingespart, Durchlaufzeiten verringert und die Termintreue erhöht.
- Motivation der Mitarbeiter. Die Angehörigen der Organisation können Optimierungspotenziale erkennen und Schwachstellen eigenständig beseitigen, da sie sich mit den Aufgaben identifizieren und selbst gesetzte Standards befolgen.
Voraussetzungen
Das Managementkonzept Kaizen beruht auf einem kooperativen Führungsstil. Vorgesetzte und Mitarbeiter arbeiten sowohl bei der Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen als auch bei deren Umsetzung eng zusammen und ergänzen sich in ihren Kompetenzen. Notwendig ist dazu eine wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe, ein offene Fehlerkultur und ein intensiver Informationsaustausch über alle Hierarchieebenen und Unternehmensbereiche hinweg. Wichtig sind hierbei eine gemeinsame, klare Zielformulierung und ein Konsens über Entscheidungen anstatt unbegründeter Vorgaben durch Personen in Leitungsfunktion.
Idealvorstellung
Das Ideal von Kaizen sind qualifizierte und kreative Mitarbeiter, die aktiv und eigenverantwortlich in ihrem Bereich zum Wohle des Unternehmens agieren und die gemeinsam festgelegten Ziele erreichen wollen. Dieser Einsatz wird mit einer differenzierten und individuellen Beurteilung anerkannt und finanziell entsprechend vergütet.
Kaizen bietet so die Möglichkeit, die bestehenden Strukturen und Prozesse innerhalb einer Organisation zu perfektionieren. Dieser kontinuierliche Verbesserungsprozess wird sichtbar in der Qualität der Produkte und Prozesse, in der Motivation der Mitarbeiter und im wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmens.