Wird Verschwendung nicht eliminiert oder zumindest eingeschränkt, ist langfristig der Unternehmenserfolg durch zu hohen Einsatz bzw. Verbrauch von Ressourcen gefährdet. Wenn sichtbar wird, wo Verschwendung auftritt, aber keine Maßnahmen oder Vorkehrungen getroffen werden, um sie abzustellen oder einzudämmen, kann dies das Betriebsklima negativ beeinflussen und zu Gleichgültigkeit und Demotivation aufseiten der Mitarbeitenden und der Führungskräfte führen.
In der klassischen Lean-Production-Lehre wird Verschwendung mit dem japanischen Begriff „Muda“ belegt. Nach Taiichi Ohno, dem Erfinder des Toyota-Produktionssystems, kann zwischen insgesamt sieben Verschwendungsarten oder „sinnlosen Tätigkeiten“ unterschieden werden, die sich gegenseitig beeinflussen. Zusammengefasst werden sie mit dem (englischen) Akronym TIMWOOD.
Abk. |
| englischer Begriff |
| deutscher Begriff | Verschwendungs-form (Muda) | Lean-Ansätze zur Vermeidung |
T | = | Transport | = | Transport | überflüssige Material-bewegungen | Materialfluss optimieren, Produkt-/Wert-/Prozessorientierung, Pull-Steuerung mittels Kanban, Just-In-Time-Bereitstellung (JIT) |
I | = | Inventory | = | Bestände | zu hohe Lagerbestände | Lieferantenankopplung, Just-In-Time-Prinzip, Pull-Steuerung mittels Kanban, Anpassung der Taktzeiten, Verringerung der Losgröße, Einführung von Single-Piece-Flow |
M | = | Motion | = | Bewegung | nicht-ergonomische Bewegungen | 6S-Konzept, Standardisierung, Plätze und Stellflächen optimieren |
W | = | Waiting | = | Warten | Wartezeiten vermeiden oder reduzieren | Multi-Machine-Handling, Multi-Process-Handling, Materialfluss im U-Layout, SMED, Andon Board |
O | = | Over-production | = | Überproduktion | Überproduktion vermeiden | Nivellierung und Glättung, One-Piece-Flow, Mixed-Model-Production |
O | = | Over-engineering | = | Falsche Technologie/Prozesse | Verarbeitung vereinfachen, Komplexität reduzieren | Kaizen, Qualitätszirkel, Vorschlagwesen, Prozesse und Inputs vereinfachen, Entwicklung von Fähigkeiten und Anpassung von Befugnissen zur Reduzierung von Schnittstellen und (Arbeits-)Schleifen |
D | = | Defects | = | Ausschuss/Nacharbeit | kontinuierlich Verbessern | Internes Kunden-Lieferanten-Verhältnis, Selbst-/Folgeprüfung, Autonomation, Null-Fehler-Methode / Six Sigma, Band-Stop-System, Verbesserung des Arbeitsplatzes und -umfelds durch 5S, Verdeutlichung von Qualität durch visuelles Management, Poka Yoke |
Transport
Wird Material transportiert, entstehen Kosten durch Personal, den Einsatz von Förderzeugen und den Energieaufwand. Die Wertschöpfung stagniert, da kein Mehrwert geschaffen wird; zudem sind Transportschäden möglich.
Zu prüfen ist, ob sich Wege verkürzen oder vermeiden lassen, etwa durch Platzierung der Arbeitsstationen oder Takten und Verketten der Arbeitsschritte. Transport ist häufig Ursache des Wartens.
Bestände
Bestände sind in der gesamten Wertschöpfungskette nötig und wichtig: zunächst als Rohmaterialen, dann als „Work in Process“ (WIP) und schließlich als Halbfertigwaren oder Fertigprodukte. Bestände, die über den aktuellen Bedarf hinausgehen, sind Verschwendung, da sie Logistikkosten und Kapitalbindung verursachen.
Standardisierte und stabile Prozesse können die Notwendigkeit von hohen Beständen verringern – und Verschwendung durch Transport reduzieren.
Bewegung
Unnötige Bewegungen (wie das Reichen von Werkzeugen, das Hinlangen zu entfernt angeordneten Komponenten, der Gang zur Materialausausgabe) senken die Produktivität, können Fehlhaltungen verursachen und so das Muskel-Skelett-System der Mitarbeitenden belasten.
Hier sind ergonomische Prinzipien zur Arbeitsplatzgestaltung zu beachten, um die Effizienz der Mitarbeitenden zu erhöhen und Arbeitsunfälle sowie Qualitätseinbußen zu vermeiden. Folge von unnötigen Bewegungen sind oft Warten und Transport.
Warten
Warten (sei es planmäßig auf das Ende des Bearbeitungszyklus einer Maschine oder aufgrund einer unzureichenden Taktung der Prozessschritte, sei es unplanmäßig etwa auf Materialnachschub oder bei einer Störung) ist Verschwendung, da in dieser Zeit keine Wertschöpfung stattfindet; auch die Liegezeit von angearbeiteten Produkten kann als „Warten auf Weiterverarbeitung“ betrachtet werden. Schwerwiegendste Auswirkung ist die Verlängerung der Durchlaufzeit zur Herstellung der Produkte. Wartezeiten können aber auch die Motivation der – nicht ausgelasteten – Mitarbeitenden beeinflussen.
Vermieden werden können Wartezeiten durch bessere Prozessplanung. Auch eine Überbrückung ist möglich, durch Mehrstationenbedienung oder Job Enlargement der Mitarbeitenden. Warten kann durch Demotivation der Beschäftigten zu Ausschuss oder Nacharbeit führen.
Überproduktion
Überproduktion ist Verschwendung, da mehr produziert als abgenommen wird und daher Lagerbestände mit entsprechenden Kosten (Lagerhaltung und -bewirtschaftung) und Liquiditätseinbußen (durch Kapitalbindung) entstehen. Trotz der Wertschöpfung ist nicht sicher, ob die Güter abgesetzt werden können und damit für das Unternehmen umsatzwirksam werden. Ursache ist oft einerseits die sogenannte „optimale Losgröße“, bei dem das Verhältnis zwischen Rüstkosten und Bestandskosten (von vielen ERP/MRP-Systemen automatisch) für anstehende Fertigungsaufträge optimiert wird – auch wenn für die errechnete Stückzahl kein konkreter Absatz gegeben ist. Andererseits ist häufig die Optimierung der Auslastung der Treiber, da investitionsintensive Maschinen und Anlagen möglichst nicht unproduktiv sein sollen.
Überproduktion kann durch das Pull-Prinzip (= Produktion auf Anforderung) und durch die Synchronisation der Prozesskette mit den Kundenbedürfnissen eingeschränkt werden. Ansonsten droht zudem Verschwendung durch erhöhte Bestände und dabei notwendige Transporte.
Falsche Prozesse / Technologie
Verschwendung entsteht bei veralteten oder bei nicht ausgereiften Prozessen ebenso wie bei „Overengineering“, wenn also Prozesse oder Fertigungsverfahren ohne Notwendigkeit für das Endprodukt unnötig komplex ausfallen (Erfüllen zu hoher Güteanforderungen oder unnötige Kontrollmessungen).
Daher sollten Prozesse überprüft, kontinuierlich optimiert (kontinuierlicher Verbesserungsprozess, KVP) und modernisiert werden, um keine Ressourcen zu vergeuden und die Produktivität zu erhöhen. Dies gelingt am einfachsten mit modular aufgebauten Produktionsanlagen, die auch Transporte, Wartezeiten, Bewegungen und Bestände minimieren helfen. Zudem ist das Mitarbeiterwissen einzubeziehen, z. B. in Qualitätszirkeln oder durch ein betriebliches Vorschlagswesen.
Ausschuss/Nacharbeit
Ausschuss oder Nacharbeit aufgrund mangelnder Qualität sind offensichtlich Verschwendung, da die Wertschöpfung bereits (teilweise) vollzogen wurde, wenn das Produkt durch Prüfung als fehlerhaft identifiziert wird. Ursache können sein: fehlerhaft arbeitende Maschinen oder Mitarbeitende, defekte Komponenten Dritter oder unkalibrierte Messmittel.
Ziel ist, die Ursache zu beseitigen, die Fehlerrate zu verringern und die gewünschte Qualität zu gewährleisten. Wenn die Herstellung in der klassischen Losgrößenfertigung in Verbindung mit einem werkstattorientierten Produktionslayout erfolgt, ist das komplette Fertigungslos betroffen. Vermeiden lässt sich dies durch eine „One-Piece-Flow“-Produktion in einzelnen Produktionszellen. Ausschuss oder Nacharbeit haben direkte Auswirkung auf alle anderen Formen der Verschwendung, da schlimmstenfalls der gesamte Produktionsprozess nochmals durchlaufen werden muss.