Aufwandsschätzung


Aufwandsschätzung

Unter einer Aufwandsschätzung kann generell eine überschlägige Ermittlung des für die Durchführung eines Vorhabens notwendigen Mitteleinsatzes verstanden werden.

Üblich ist eine Aufwandsschätzung bei Projekten: Im klassischen Projektmanagement, bei Software-Projekten sowie im agilen Projektmanagement ist die Aufwandsschätzung daher als Schritt fest verankert. Sie dient dazu, die Größenordnung des zu erwartenden Einsatzes an Ressourcen bis zum Projektabschluss zu ermitteln.

Zugeordnet werden die benötigten Ressourcen in der Regel drei Dimensionen. Unterschieden werden

  1. zeitlicher Aufwand, also die Dauer des Projekts;
  2. personeller Aufwand, also der Personaleinsatz und die daraus entstehenden Personalkosten samt Allgemeinkostenanteil (etwa in der Lohnbuchhaltung);
  3. Sachaufwand. Hierunter fallen die Kosten für die internen und die externen Ressourcen. Intern bezieht sich der Aufwand auf den Einsatz von Betriebsmitteln, Materialien und Energie sowie die notwendigen Finanzmittel. Als extern werden die bezogenen Sach- und Dienstleistungen betrachtet.

Normierung und Abgrenzung

Welche Kosten welcher Dimension zugeordnet werden sollten, ist weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene einheitlich geregelt.

  • In Deutschland ist die DIN 69901 „Projektmanagement – Projektmanagementsysteme“ maßgebend. Sie enthält im Teil 5 „Begriffe“ unter dem Stichwort „Aufwandsschätzung“ die Voraussagen über Kostenaspekte sowie über die notwendigen Ressourcen und die Zeit für Vorgänge, Arbeitspakete oder Projekte.
  • In den USA gilt der PMBOK® Guide „Project Management Body of Knowledge“ als Standard. Herausgegeben wird das Werk vom Project Management Institute (PMI®); diese Einrichtung wird vom American National Standards Institute (ANSI) als „Standards Development Organization“ eingestuft. Die aktuelle Version ist ANSI/PMI 99-001-2021. Die geschätzten Kosten, die Ressourcen und die Dauer werden dabei als „Estimate Costs“, „Estimate Activity Resources“ und „Estimate Activity Durations“ separat betrachtet. Dies steht im Gegensatz zur DIN-Norm.
  • Die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (GPM) hat eine eigene Definition entwickelt. Die Aufwandsschätzung wird unter dem Begriff „Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3)“ als „Prognostizierung der für die Durchführung eines Projekts erforderlichen Einsatzmittel … und Geldmittel“ betrachtet. Der Faktor Zeit fällt damit aus der Prognose heraus.

Die verschiedenen Ansätze zur Standardisierung der Aufwandsschätzung sind damit nicht direkt vergleichbar. Eine allgemein anerkannte Normierung steht weiterhin aus.

Da darüber hinaus der Begriff „Aufwandsschätzung“ auch für die Methode, also die Kalkulation des Ressourceneinsatzes, sowie für das Ergebnis der Kalkulation verwendet wird, sollten sich die Projektbeteiligten auf eine Bedeutung einigen. Idealerweise wird die Aufwandsschätzung damit klar von den Methoden – „Schätzverfahren“ oder „Schätzmethode“ – sowie vom Ergebnis – dem „Schätzwert“ oder „geschätzten Aufwand“ – abgegrenzt. Eine solche eindeutige Zuordnung erleichtert die Kommunikation, da Missverständnisse und Unsicherheiten vermieden werden.

Bedeutung der Aufwandsschätzung

Die Aufwandsschätzung ist die Voraussetzung für die Beurteilung der Realisierbarkeit eines Projekts. Sie beruht auf dem vom Projekteigner oder „Project Owner“ vorgelegten Anforderungskatalog und umfasst die Planung des Personal- und Ressourceneinsatzes sowie die Ermittlung des Zeitbedarfs. Projektspezifisch können dann jeweils Meilensteine inhaltlich definiert und zeitlich gesetzt werden.

Bei intern angestoßenen Projekten ist sie die Grundlage für die Kalkulation und die Budgetierung der Arbeiten. Existiert ein externer Auftraggeber, kann aus der Aufwandsschätzung ein Kostenvoranschlag und schließlich ein Angebot abgeleitet werden.

Während der Projektlaufzeit sollte die Aufwandsschätzung anhand der realen Werte und wahrscheinlicher werdenden Angaben überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Dadurch wird die Planungssicherheit erhöht, da eine Reaktion auf Abweichungen von den getroffenen Annahmen, auf Änderungswünsche und sich wandelnde Rahmenbedingungen möglich wird. Die nachgeführte Aufwandsschätzung kann das Controlling nutzen, um Soll-Ist-Differenzen zu erkennen und Maßnahmen zur Projektsteuerung einzuleiten.

Das Vorgehen: top-down oder bottom-up?

Eine realistische Aufwandsschätzung ist oft Erfahrungssache. Einflussfaktoren aus früheren Projekten sind bekannt und können einbezogen und beurteilt werden; die Qualität der Annahmen steigt. Die Etablierung eines Wissensmanagements kann dazu beitragen, diesen oft nicht weiter spezifizierten Erfahrungsschatz, das implizite Wissen, in expliziter Form – ohne persönlichen Kontakt – zur Verfügung zu stellen, etwa als Datei oder Algorithmus.

Beim Top-down-Ansatz gibt der Project Owner ein Limit für den Aufwand vor – sei es als gedeckeltes Budget oder als festen Kostenrahmen. Die geschätzten Aufwände für Einzelposten sind dann so aufeinander abzustimmen, dass sie in Summe diese Kostengrenze nicht überschreiten. Dennoch sollten in der Regel die realen Bedingungen berücksichtigt und keine Abstriche in der Qualität gemacht werden.

Der Bottom-up-Ansatz ist präziser, aber aufwendiger. Die Projektbeteiligten haben dazu ihre Arbeiten im Detail zu planen und zu budgetieren – von den verwendeten Ressourcen bis hin zum Zeitrahmen. Diese Komplexität ist bei mittleren und größeren Projekten nur noch mit einer Projektmanagement-Software zu bewältigen, die die Zusammenhänge realistisch abbildet und eine Bewertung zulässt. Dennoch ist das Ergebnis der Aufwandsschätzung immer eine mit Unsicherheiten behaftetet Prognose. Werden Reserven wie Zeitpuffer oder negative Einflüsse wie Lieferengpässe, Preissteigerungen oder Personalmangel einbezogen, kann als „geschätzter Aufwand“ sowohl der wahrscheinlichste Wert aufgeführt als auch eine obere und untere Grenze (best/most likely/worst case) angegeben werden.

Methoden – ein Überblick

Einige der klassischen Vorgehensweisen bei der Aufwandsschätzung sind in der Norm DIN 69901, Teil 3 „Methoden“, als Schätzverfahren aufgeführt. Dazu zählen:

  • die Expertenschätzung bzw. -befragung;
  • die anonyme, auch mehrstufige Expertenbefragung (Delphi-Methode);
  • die Dreipunkt-Methode oder Drei-Zeiten-Schätzung;
  • die Schätzklausur. Dazu kommen Fachleute in einem Raum zusammen und bewerten einzelne Arbeitspakete oder Teilprojekte im Rahmen des Gesamtprojekts. Die individuellen Ergebnisse werden anschließend kombiniert.
  • der Projektvergleich – als Analogieschluss zu ähnlichen Projekten oder unter Einbezug auch unternehmensspezifischer Faktoren als Relationsmethode.

Die Schätzmethode wird meist projektspezifisch oder nach eigener Erfahrung gewählt. Auf aufwendigere Verfahren wie Schätzklausuren oder die Delphi-Methode wird eher bei größeren Projekten zurückgegriffen.

Modernere Verfahren der Aufwandsschätzung, die auch bei nicht klar definierten oder sich während des Projektverlaufs ändernden Anforderungen anwendbar sind, passen sich iterativ an die „User Story“ des Project Owners an. Zu solchen kundenorientierten Ansätzen gehören zum Beispiel Lean, Kanban, Scrum oder Design Thinking. Diese agilen Methoden beruhen nicht auf verlässlichen Schätzungen, sondern auf „relativen“ Vergleichen. Das Ergebnis dieser Schätzung wird ausdrücklich nicht als bindend oder verpflichtend angesehen – im Gegensatz etwa zu den (kurzfristigen) Sprint-Zielen bei Scrum. Etablierte Methoden sind beispielsweise die „T-Shirt-Methode“ und das „Planing Poker“.

Fazit

Die Aufwandsschätzung ist ein Schritt im Projektmanagement. Sie dient dazu, den für ein Vorhaben nötigen Einsatz an Ressourcen zu ermitteln. Die Schätzung erfolgt top-down, wenn ein bestimmter Finanzrahmen vorgegeben wurde, und bottom-up, wenn einzelne Teilaspekte bewertet und die Ergebnisse danach konsolidiert werden. Diese Überschlagsrechnung ermöglicht es, die Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit von Projekten zu beurteilen und Angebote zu erstellen.

Die Aufwandsschätzung sollte während eines Projekts immer nachgeführt werden, um durch einen Soll-Ist-Vergleich Abweichungen zu erkennen und sichtbar zu machen. Für das Controlling ist sie ein Instrument der Projektsteuerung.

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