In gewerblichen oder industriellen Herstellungsbetrieben werden dank solch moderner Prozess- und Steuerungstechnik nicht mehr nur einzelne Bearbeitungsschritte, sondern ganze Fertigungsabläufe automatisiert. In vielen Bereichen ist dadurch bereits eine autonome Produktion Realität: Der Mensch übernimmt Kontroll- und Überwachungsfunktionen und greift nur noch in Ausnahmesituationen ein. Im Idealfall laufen die technischen Einrichtungen auch ohne menschliches Zutun beispielsweise über Nacht – als „Geisterschicht“ – oder sogar als „mannlose Produktion“ über das ganze Wochenende.
Die Zeit, in der Anlagen nicht von Maschinenführern bedient oder gefahren werden, sondern selbstständig die Abläufe in der Be- und Verarbeitung durchführen, wird als „automatische Maschinenlaufzeit“ bezeichnet. Doch was umfasst dieser Begriff eigentlich?
Maschinenlaufzeit
Der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) hat die Berechnung der Maschinenlaufzeit standardisiert. Nach VDI-Richtlinie 3258, Blatt 1, wird die Maschinenlaufzeit (TL) berechnet als Differenz zwischen der gesamten Maschinenzeit (TG) und der Summe aus Stillstand- (TST) und Instandhaltungszeiten (TIH):
TL = TG - (TST + TIH)
Die Maschinenlaufzeit TL ist dabei die Zeit, während der die Maschine Arbeit verrichtet, also produziert.
Unter der gesamten Maschinenzeit TG wird die theoretisch mögliche Laufzeit der Maschine pro Jahr verstanden.
Die Stillstandzeiten TST setzen sich zusammen aus den geplanten und den ungeplanten Stillstandzeiten. Zu den geplanten zählen die Tage im Jahr, in denen nicht produziert wird, sowie die arbeitsfreien Anteile von Arbeitstagen, etwa im Schichtbetrieb. Dazu kommen betriebs- oder fertigungsbedingte Stillstandzeiten wie beispielweise Rüstzeiten, für die Mess- oder Erfahrungswerte vorliegen. Ungeplante Stillstandzeiten treten auf bei Ausnahmesituationen wie Störungen, Defekten oder Notfällen, aber auch bei Abwesenheit oder Unaufmerksamkeit des Bedienpersonals.
Die Instandhaltungszeit TIH umfasst Wartungs- und Reparaturzeiten, in denen die Maschine stillsteht.
Die Maschinenlaufzeit ist ein wichtiger Faktor bei der Berechnung der Gesamtanlageneffektivität (GAE), im englischen Sprachraum als Overall Equipment Effectiveness (OEE) genannt. Die GAE bzw. OEE ist als Kennzahl bei der Einschätzung der Produktivität bzw. der Effizienz von Fertigungsprozessen von hoher Bedeutung, sowohl zur Beurteilung der Lage des eigenen Unternehmens als auch im Branchenvergleich.
Automatische Maschinen – mannlose Fertigung
Die Ansprüche an die moderne Fertigung sind enorm: kurze Durchlaufzeiten, hohe Flexibilität – idealerweise bis zur Produktion von individualisierten Produkten, also Losgröße 1 – und beste Qualität bei geringem Personaleinsatz. Um Produktivitätsgewinne und Effizienzsteigerungen zu erreichen, wird oft ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) zur fortwährenden Prozessoptimierung umgesetzt. Ein weiterer Schritt ist die Automatisierung – die mannlose Produktion, etwa in Geisterschichten.
Moderne Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme (PPS-Systeme) werden eingesetzt, um Prozesse so zu steuern, dass vernetzte Maschinen autonom die Be- und Verarbeitung von Teilen sowie die Montage übernehmen können. Das Stanzen, Pressen, Fräsen, Drehen oder Schleifen wird auf automatisierten Werkzeugmaschinen mit Palettenhandling und Lagerzugriff durchgeführt. Fertige Teile werden per Roboter entnommen, an die nächste Station weitergereicht und dort wieder eingelegt oder durch Fertigungsroboter montiert. Selbst Rüstvorgänge können auftragsgemäß gesteuert und ohne Eingriff vonseiten des Personals erfolgen. Entsprechend programmiert kann so über Nacht oder über ganze Wochenenden ohne menschliches Bedienpersonal durchproduziert werden.
Die exakte Maschinenlaufzeit – die automatische Maschinenlaufzeit – pro Auftrag wird per Software erfasst und ausgewertet. Mengen und Produktionszeiten werden zum Beispiel in ein ERP-System (Enterprise Resource Planning System) eingespeist und analysiert. So wird auch eine genaue Nachkalkulation der Aufträge möglich.
Fazit
Eine Erhöhung der automatischen Maschinenlaufzeit reduziert den Personaleinsatz bei gleichzeitiger Steigerung der Maschinenverfügbarkeit. Das Resultat sind Produktivitätszuwächse und Effizienzsteigerungen. Voraussetzung ist allerdings die Digitalisierung der Produktionsprozesse und die Vernetzung der Anlagen. Ob sich die Investition in entsprechende Software-Systeme und Hardware-Komponenten rentiert, muss anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse beurteilt werden.