ConWIP-Verfahren

Definition
Das ConWIP-Verfahren ist eine Methode der Fertigungssteuerung, bei der die Bestände der zur Produktion benötigten Materialen und Teile in einer Fertigung(slinie) auf konstantem Niveau gehalten werden, um den Materialfluss und damit den Wertstrom zu verstetigen.
Die Abkürzung ConWIP steht dabei für den englischen Ausdruck „Constant Work In Process“. Dieses seit den 1990er-Jahren verbreitete Verfahren zur Steuerung der Fertigung ähnelt in seinen Grundzügen dem aus der Lean Production bekannten Kanban-Verfahren.
Prinzip
Kern des ConWIP-Verfahrens ist die Stabilisierung der Bestände an Sachmitteln, die bei der Produktion eingesetzt werden, auf einem möglichst niedrigen Niveau. Die vorgehaltene geringe Menge an Materialien und Teilen, die für die Fertigung erforderlich sind, schafft Raum und Bewegungsfreiheit an den Arbeitsplätzen und ermöglicht einen größeren Überblick. In der Folge verringern sich die durchschnittlichen Durchlaufzeiten eines Produktionsauftrags. Ursache ist, dass diese in einem logistischen System wie einer Montagelinie von der Höhe des sich aktuell im System befindenden Bestands abhängen und mit diesem proportional steigen oder fallen.
Dieser Zusammenhang wird in Littles Gesetz abgebildet. Dieses besagt, dass sich die mittlere Durchlaufzeit (DLZ) erhöht, wenn sich bei gleichbleibendem Durchsatz (λ) der Bestand L (bzw. die anstehende Arbeit als Work In Process, WIP) erhöht:
DLZ = L / λ bzw. DLZ = WIP / λ
Mit anderen Worten: Je geringer die Bestandshöhe (bis zu einer praktikablen Untergrenze) im System ist, desto kürzer ist die Durchlaufzeit eines Auftrags.
Die ConWIP-Steuerung erfolgt daher über die Höhe des Bestands an Materialien in der Produktion, nicht über Termine. Die Bestandshöhe wird über Nachfüllprozesse geregelt, die von definierten Start- und Endpunkten – wie etwa der Auftragsvergabe und der Fertigstellung – über mehrere Stationen hinweg verfolgt werden. Hier besteht ein Unterschied zur Kanban-Steuerung, bei der zwei jeweils aufeinanderfolgende Stationen einen Regelkreis bilden.
ConWIP-Karten
ConWIP basiert wie Kanban auf einem System aus physisch vorhandenen oder digitalen Karten. Allerdings wird beim ConWIP-Verfahren ein Kartentyp für mehrere Produkte verwendet, wogegen bei Kanban je Produktart ein eigener Kartenkreislauf existiert.
Für jeden Produktionsauftrag wird von der Auftragsverwaltung eine ConWIP-Karte als Begleitkarte ausgestellt. Diese begleitet den Fertigungsauftrag während des gesamten Durchlaufs und enthält alle Informationen über den vollständigen Fertigungsablauf, vom ersten Bearbeitungsschritt bis zur Fertigstellung. Angegeben werden typischerweise die Anzahl der zu fertigenden Produkte, die Anzahl der (zusammengefassten) Aufträge oder auch die Anzahl der Kapazitätsstunden. Diese Angaben ermöglichen den Vergleich von Produktionsaufträgen, auch wenn sie unterschiedliche Arbeitsinhalte aufweisen. Nach Abschluss des Auftrags wird die Karte an die Auftragsverwaltung zurückgesendet. Dies ist das systeminterne Pull-Signal der Fertigung, um die Freigabe des nächsten Auftrags zu initiieren. Die Anzahl der Aufträge im System, also die Auslastung durch „Work In Process“, bleibt damit nahezu konstant.
Die Abfolge der Produktionsaufträge wird nach dem Dringlichkeitsprinzip festgelegt. Da immer der jeweils dringendste Produktionsauftrag als Nächstes bearbeitet wird, können kurzfristige Änderungen von Lieferterminen berücksichtigt werden, ohne in den Produktionsprozess einzugreifen.
ConWIP-Regelkreise
Die Produktion komplexerer Produkte beinhaltet typischerweise mehrere ConWIP-Regelkreise, etwa für spezielle Baugruppen oder Module. Diese können parallel (etwa bei mehreren Produktlinien) oder seriell (in Reihe) miteinander verbunden sein, zum Beispiel bei der Teilefertigung oder der Vor- und Endmontage. Auch hier steuern sich die jeweiligen Regelkreise intern selbst und verhindern dadurch Engpässe.
Die Anzahl der ConWIP-Karten ist auf die aktuell verfügbare Kapazität der Produktionslinie oder Lieferkette abgestimmt und wird konstant gehalten. Werden Prozessoptimierungen durchgeführt, sinken die Durchlaufzeiten und die Kapazität der Fertigungslinie steigt. Die Zahl der ConWIP-Karten lässt sich dann anpassen, ohne den kontinuierlichen Produktionsfluss zu gefährden.
Produktionsaufträge werden erst zum spätest möglichen Zeitpunkt an die Fertigung weitergegeben. Um die Produktion rechtzeitig anlaufen lassen zu können, wird der Produktionsbeginn durch Rückwärtsrechnung vom Auslieferungstermin bestimmt. Warte- und Liegezeiten lassen sich so weitestgehend vermeiden, Lagerhaltungskosten und Kapitalbindungskosten werden minimiert.
Vor- und Nachteile der ConWIP-Steuerung
Wie jedes Steuerungsprinzip hat auch die ConWIP-Steuerung Vor- und Nachteile.
Zu den Vorteilen gehören folgende Aspekte:
- Der Gesamtbestand an Materialien und Teilen in einer Fertigungslinie kann minimiert und auf ein niedriges Niveau eingeregelt werden. Damit wird Verschwendung vorgebeugt. Die Bestände an den einzelnen Arbeitsplätzen können dabei je nach Produktionsauftrag variieren.
- Terminvorgaben für die Auslieferung können über die Freigabe der Aufträge per ConWIP-Karte ohne Störung der Produktion berücksichtigt werden.
- In der Fertigungslinie wird die Reihenfolge der Aufträge nicht verändert.
- ConWIP ist als Fertigungssteuerungsverfahren sehr einfach umzusetzen und anzuwenden.
Zu den Nachteilen gehören folgende Aspekte:
- Vorgaben der Produktionsplanung lassen sich nicht umsetzen, wenn der dazu notwendige Plan-Bestand (temporär) größer ist als die durch die ConWIP-Steuerung vorgegebene Bestandsgrenze.
- Ist die Auslastung der Fertigung zu gering, werden Produktionsaufträge vorzeitig freigegeben und fertiggestellt. Dies führt zu einer Erhöhung der Bestände und damit zu Verschwendung.
- Sind die Materialflüsse komplex, ist eine Auftragsfreigabe mit arbeitssystemspezifischem Belastungsabgleich bei vergleichbaren Beständen leistungsfähiger.
- li>Bei einem klar definierten Durchsatzengpass ist die Engpasssteuerung bei vergleichbaren Beständen effizienter als die ConWIP-Steuerung.
Der Einsatz der ConWIP-Steuerung ist insbesondere in diesen Fällen sinnvoll:
- Fertigungsaufträge warten häufig auf Freigabe.
- Der Materialfluss ist möglichst geradlinig (serielle Produktion).
- Auslastungen und Kapazitäten sind gut aufeinander abgestimmt.
- Lean-Administration
- Lean Leadership / KATA
- Lean Logistik
- Lean Management für Betriebsräte
- Lean Management im Produktentstehungsprozess
- Lean Production
- Lean Spring Camp
- Lean Summer Camp
- Lean Winter Camp
- Leistungsentgelt im Lean Management
- PDCA
- Schlanke Auftragssteuerung
- Schlanke Fertigungszellen entwickeln
- Stabil durch Standards
- Ausbildung Lean Management
Ihr Ansprechpartner
Torsten Klanitz
Produktmanager
Fon: +49 6151 8801-125