Krisenmanagement


Krisenmanagement

Definition

Krisenmanagement – die Bedeutung scheint doch auf der Hand zu liegen: das Handeln und Zuweisen von Aufgaben in einer Notsituation, um die Folgen abzumildern. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn: Was genau ist eine Krise? Und was ist unter Management zu verstehen?

Was ist eine Krise?

Um zu verstehen, um was es sich bei einer Krise handelt, ist eine Abgrenzung gegenüber ähnlichen Begriffen notwendig, die teilweise synonym verwendet werden – so wie Störung, Notfall, Notlage und Katastrophe. Ein Hilfsmittel zur Abgrenzung ist die Einschätzung des Risikopotenzials als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß:

Risikopotenzial = Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadensausmaß

Eine Störung ist eine kurzzeitig auftretende unerwartete Beeinträchtigung eines Ablaufs oder eine Fehlfunktion. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht handelt es sich um die Einschränkung eines Prozesses oder den Ausfall einer Ressource. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist hoch, aber das Schadensausmaß nur gering und im Verhältnis zum Jahresergebnis des Unternehmens unbedeutend.

Störungen treten im operativen Bereich auf und sind meist direkt vor Ort ohne großen Aufwand zu beheben – oft vom jeweils für den Prozess zuständigen Personal. Die Ursache einer Störung sollte identifiziert und möglichst eliminiert werden, damit die Fehlfunktion nicht wiederholt auftritt. Alle Schritte sind zu dokumentieren, um weitere Störungen oder deren Ausweitung zu einem Notfall zu vermeiden.

Ein Notfall ist eine schwerwiegende, im Vergleich zur Notlage vorher nicht absehbare Fehlfunktion in einem Prozess oder eine gravierende Beeinträchtigung eines Vorgangs. Ausgelöst werden kann er auch durch den Ausfall einer Ressource – worunter auch das Personal zählt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist nicht gering, was allein schon die Anzahl an Arbeitsunfällen deutlich macht. Das Schadensausmaß ist oft hoch, etwa bei einem längeren Ausfall einer Maschine oder Anlage beispielsweise durch einen Brand nach Überhitzung oder bei einer schweren Verletzung eines Mitarbeiters. Das Jahresergebnis eines Unternehmens kann dadurch deutlich belastet werden.

Ein Notfall geht über den Rahmen des normalen Tagesgeschehens hinaus und erfordert daher besondere Maßnahmen wie eine spezielle Notfallorganisation. Behandelt und bewältigt werden kann ein Notfall durch das Zusammenwirken der betroffenen Abteilungen auf Fach- und Führungsebene mit Stabsstellen wie Qualitätsmanagement oder Umweltschutz sowie, falls nötig, Rettungs- und Einsatzkräften. Je nach Schadensereignis, Reaktion sowie Sicherheits- und Risikobewusstsein der Betroffenen kann sich ein Notfall zu einer Krise ausweiten.

Eine Krise ist ein seltenes Ereignis, das durch interne, aber auch externe Faktoren verursacht werden kann. Interne Ursachen sind oft massive operative Versäumnisse und/oder strategische Führungsfehler. Externe Auslöser sind oft schwerwiegende Änderungen der Rahmenbedingungen in den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Finanzen. Der Bogen spannt sich von der Subventions- und Steuerpolitik über die gesellschaftliche Akzeptanz von Produktionsformen bis hin zu Pleiten von Großunternehmen oder Banken als Auslöser von Finanz- und Wirtschaftskrisen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist zwar gering, aber das Schadensausmaß enorm – hier ist die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens bedroht.

Krisen können nicht im normalen Tagesgeschäft bewältigt werden, sondern verlangen nach einem speziellen Krisenmanagement.

Eine Katastrophe ist ein sehr seltenes, in der Regel einmaliges Vorkommnis, das, selbst wenn es innerbetrieblich verursacht wurde, auch außerbetrieblich erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und oft auch auf die Politik und die Gesellschaft hat. Beispiele für zunächst „unternehmensinterne“ Auslöser sind beispielsweise Chemieunfälle wie in Bhopal, Seveso oder bei Sandoz in Basel, aber auch die Kernschmelze im Atomkraftwerk in Tschernobyl. Zu den natürlichen Ursachen zählen unter anderem Überschwemmungen, Tsunamis, Bergstürze und Lawinen oder Erdbeben und Vulkanausbrüche. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist äußerst gering, aber das Schadensausmaß ist gewaltig. Bei einem solchen Großschadensereignis wird meist neben der Umwelt insbesondere das Leben oder die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen gefährdet oder geschädigt. Verursachende Unternehmen sind aufgrund der schweren Schäden an betrieblichen Einrichtungen und der Regressforderungen meist akut in ihrer Existenz bedroht.

Eine Katastrophe kann nur gesamtgesellschaftlich aufgefangen und abgemildert werden. In erster Linie wirken Behörden, Organisationen und Einrichtungen des Katastrophenschutzes mit. Ein Führungsstab, zusammengesetzt aus den verantwortlichen Personen verschiedener politischer Ebenen sowie der Rettungs- und Einsatzkräfte treffen Maßnahmen der Gefahrenabwehr und setzen sie durch.

Das Management als Institution und als Funktion

Der Begriff „Management“ wird heutzutage nahezu inflationär verwendet: Jeder, der eine leitende Position einnimmt, wird als Manager bezeichnet – unabhängig davon, wie viele Mitarbeiter ihm unterstellt sind. Unterschieden wird allerdings zwischen Top-, mittlerem und unterem Management, also nach Führungsebene. Auch das Wort „managen“ erfreut sich großer Beliebtheit, meist in der Bedeutung von „organisieren“.

Deutlich werden hier zwei ganz unterschiedliche Ansätze: Das Management als Institution und das Management als Ausführung, als Funktion:

  • Als Institution wird das Management aus Sicht der Aufbauorganisation betrachtet – an oberster Stelle steht die Geschäftsführung, darunter folgen die Abteilungs- oder Stabsstellenleiter, dann die Gruppen-, Team-, Projekt- oder Einsatzleiter. An dieser Einteilung werden die hierarchischen Ebenen sichtbar.
  • Als Funktion wird das Management – oder besser: das Managen – auf die Ablauforganisation bezogen. Hier steht das Führen als Anleiten zum Handeln im Vordergrund und damit das dispositive Element. Planung, Organisation, Steuerung und Kontrolle sind aus dieser Sicht die Hauptaufgaben der Angehörigen der Institution Management.

Krisenmanagement – eine Begriffsbestimmung

Auch das Krisenmanagement kann, dank des Wortteils „Management“, sowohl als Institution als auch als Funktion beschrieben werden: Das Krisenmanagement besteht aus Managern, also Führungskräften, welche die Krise managen. Sie sind verantwortlich für das systematische Vorgehen von der Wahrnehmung bis zur Bewältigung einer solchen Ausnahmesituation.

Von elementarer Bedeutung ist, dass ein Krisenmanagement nicht erst bei Eintritt einer Extremlage institutionalisiert und mit Kompetenzen ausgestattet werden darf. Denn einerseits kündigen sich Krisen in den meisten Fällen vorher an – sie entwickeln sich, sind absehbar, und das gilt für Krisen im Unternehmen ebenso wie für Wirtschafts- oder Finanzkrisen. Andererseits ist beim Eintritt einer solchen Bedrohung Eile geboten, um die Lage abzuschätzen und Schäden zu minimieren.

Krisenmanagement als Aufgabe – und Prozess

Zu den Aufgaben des Krisenmanagements gehört es, Krisen zu erkennen und zu analysieren, um die möglichen Auswirkungen bewerten zu können. Danach haben die Verantwortlichen Handlungsoptionen zu erarbeiten und Vorgehensweisen festzulegen, um die Krise zu bewältigen. Sie überwachen die Umsetzung der Maßnahmen und kontrollieren deren Erfolg.

Systematisch kann das Krisenmanagement als Prozess, also als schrittweises Vorgehen zum Abarbeiten der Aufgaben, in die folgenden Phasen unterteilt werden:

Krisenidentifikation

Voraussetzung für die Durchführung aller folgenden Maßnahmen ist die Identifizierung einer Situation als – im Idealfall sich erst anbahnende – Krise. Dies wird möglich durch das Wahrnehmen und Erkennen bestimmter Indizien, die schon im Vorfeld sichtbar werden. An dieser Stelle ist bereits ein Eingreifen zur Krisenabwehr im Rahmen der Krisenprävention möglich – und für bestimmte Kapitalgesellschaften als Maßnahme des Risikomanagements sogar gesetzlich vorgeschrieben (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, KonTraG, sowie Aktiengesetz, § 91 Abs. 2, § 93 Abs. I S. 1, § 116 AktG).

Ansonsten muss beim Auftreten einer Gefährdungslage schnell und häufig unter Zeitdruck sowie ohne entsprechend qualifiziertes Personal mit den folgenden Schritten reagiert werden.

Krisenanalyse

Die Analyse der eingetretenen Situation ist notwendig, um die Ursachen der Gefährdungslage zu ermitteln und ein Verständnis für die dabei wirkenden Mechanismen zu entwickeln. Unterschieden werden muss zwischen internen und externen Faktoren. Wichtig ist dann die Erkenntnis, welche Indizien – wie beispielsweise betriebs- oder volkswirtschaftliche Kennzahlen und Indikatoren – eine frühe(re) Identifizierung der Krise erlaubt hätten oder in Zukunft ermöglichen. Zudem wird bei der Analyse deutlich, ob – und wenn ja, welche – Möglichkeiten der Beeinflussung bestanden oder für zukünftige Fälle initialisiert und etabliert werden könnten.

Krisenquantifizierung

Die Analyse der Krise im Hinblick auf ihre Schadenswirkung bietet die Grundlage für die Quantifizierung der potenziellen Auswirkungen. Die Betrachtung kann und muss auf verschiedenen Ebenen erfolgen: in Bezug auf einzelne Abteilungen, die gesamte Organisation oder auch das unternehmerische Umfeld. Die Summierung der einzelnen Bewertungen gibt dann einen Ausblick auf das gesamte Schadensausmaß – in Bezug sowohl auf materielle, zahlenmäßig erfassbare als auch ideelle und qualitative Werte, die kaum monetär bewertbar sind.

Krisenbeurteilung

Mit der nach Unternehmensteilen aufgesplitteten Quantifizierung ist eine Beurteilung möglich, welche Organisationseinheiten in welcher Art betroffen sind und inwieweit sich die Krise in der Unternehmensbilanz oder in einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Gesamtunternehmung abbildet.

Krisenbewertung

Auf die Beurteilung des Schadensausmaßes folgt die Bewertung der Krise als Klassifizierung ihrer Intensität. Die wichtigste Frage ist hier, ob bzw. inwieweit die wirtschaftliche Existenz der Organisation gefährdet ist oder ob ein Fortbestehen als sicher angenommen werden darf.

Krisenbewältigung

Die Bewältigung der Ausnahmesituation ist die Kernaufgabe der Krisenmanager. Sie müssen einerseits Handlungsoptionen erarbeiten, die beste(n) Alternative(n) auswählen und sich auf Vorgehensweisen zu deren Umsetzung einigen. Andererseits haben sie dann die Umsetzung der Maßnahmen zu überwachen und deren Erfolg zu kontrollieren. Ziel ist die Bekämpfung der Krisenursachen, eine Reduktion der Auswirkungen und die Beseitigung oder der Ausgleich bereits entstandener Schäden. Problematisch ist, dass in Ausnahmesituationen das bestehende Know-how oft nicht ausreicht, keine Erfahrungswerte vorliegen und verwertbare Ressourcen knapp oder zunehmend eingeschränkt verfügbar sind. Da zudem die üblichen Strategien und Verhaltensmuster oft nicht greifen oder anwendbar sind, sind hier Kreativität, Kommunikation, Führungsqualitäten und in vielen Fällen auch externe Expertise gefragt, um die Vorhaben durchzusetzen.

Krisenmanagement als betriebswirtschaftliches System

Das Krisenmanagement kann auf Organisationsebene als System betrachtet werden, mit dem verschiedene Phasen von Krisen modellhaft abgebildet und zueinander in eine zeitliche Beziehung gesetzt werden können. Jedem Zeitabschnitt lässt sich ein charakteristisches Krisenmanagement anhand der spezifischen Handlungsweisen zuordnen. Zugleich können auf dieser Zeitachse den Krisenphasen bestimmte betriebswirtschaftliche Ursachen bzw. Zustände zugeschrieben werden.

Unterschieden werden die potenzielle und die latente sowie die akut beherrschbare bzw. die akut nicht beherrschbare Krise.

  • Potenzielle und latente Krisen können mithilfe eines aktiven Krisenmanagements vermieden bzw. aufgefangen oder abgemildert werden – durch entweder antizipative, vorausschauende oder präventive, also vorsorgende Maßnahmen.
  • Ist die Krise in die akute Phase eingetreten, hilft nur noch ein reaktives Krisenmanagement als Antwort auf die Ausnahmesituation. Repulsive, also abstoßende oder zurückweisende Maßnahmen können in einer beherrschbaren Situation noch greifen und die Lage verbessern. Ist der Zustand nicht mehr beherrschbar, sind liquidative Vorgehensweisen angesagt – die Organisation hat in ihrer jetzigen Form keinen Bestand mehr und muss aufgelöst werden.

Zeitlich und kausal folgen aus betriebswirtschaftlicher Sicht auf das erste Stadium, die Strategiekrise, die daraus resultierende Erfolgs- und danach die Liquiditätskrise, die in die Insolvenz führen kann. Anders ausgedrückt: Werden strategische Fehlentscheidungen getroffen, wirkt sich das auf das betriebswirtschaftliche Ergebnis aus. Ist dieses nicht ausreichend, schwindet die Liquidität. Ohne Liquidität besteht kein finanzieller Spielraum mehr, das Unternehmen muss Insolvenz anmelden.

Krisenmanagement
Abb.: Krisenmanagement in verschiedenen Krisenphasen

Normative Grundlagen

Der Begriff „Krise“ ist ein Rechtsbegriff, der in der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) definiert wird:

„Krise ist jede Situation in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Drittland, in der ein Schadensereignis eingetreten ist, das deutlich über die Ausmaße von Schadensereignissen des täglichen Lebens hinausgeht und

  1. dabei Leben und Gesundheit zahlreicher Menschen erheblich gefährdet oder einschränkt,
  2. eine erhebliche Auswirkung auf Sachwerte hat oder
  3. lebensnotwendige Versorgungsmaßnahmen für die Bevölkerung erforderlich macht.

Eine Krise liegt auch vor, wenn konkrete Umstände dafür vorliegen, dass ein solches Schadensereignis unmittelbar bevorsteht. Bewaffnete Konflikte und Kriege sind Krisen im Sinne dieser Verordnung.“ (§ 4 Abs. 1 VSVgV)

Was unter Krisenmanagement zu verstehen ist, wie es strategisch ausgerichtet werden kann und wie es durchgeführt werden sollte, ist in mehreren DIN- und ISO-Normen festgelegt. So bezieht sich die DIN EN ISO 22361:2022: „Sicherheit und Resilienz – Krisenmanagement – Leitlinien für die Entwicklung einer Strategie“ dabei auf das betriebliche Krisenmanagement. Sie soll Organisationen dabei unterstützen, „ihre Fähigkeit zum strategischen Krisenmanagement zu planen, einzurichten, aufrechtzuerhalten, zu überprüfen und ständig zu erweitern“. Auch die Technische Regel DIN CEN/TS 17091:2019-01: „ Krisenmanagement – Strategische Grundsätze“ (bzw. DIN SPEC 14414:2019-01) zeigt auf, wie ein Krisenmanagement generell aufgestellt werden kann.

Andere DIN-Normen und technische Regeln legen ihren Schwerpunkt auf den Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITIS) wie die Strom-, Gas- und Wasserversorgung, Kommunikationseinrichtungen oder die Gesundheit und den Bevölkerungsschutz.

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