Große Bestände sind beispielsweise in produzierenden Industrieunternehmen oder veredelnden gewerblichen Betrieben und Zulieferern in Form von Ausgangsprodukten und (Halb-)Fertigwaren vorhanden. Auch Logistikunternehmen und Handelsgesellschaften sind auf die Aufbewahrung oder Bereitstellung von Transportgebinden, Waren und Handelsgütern angewiesen, etwa für den Versand oder den Weiterverkauf im Groß- und Einzelhandel. Selbst Verwaltungen und Büros nutzen ein Handlager, um mit deren Bestückung mit Büromaterialien Kleinstmengen für den täglichen Gebrauch greifbar zu haben.
Bei industriellen und gewerblichen Lagerprozessen stehen die Aspekte Aufbewahrung und Pflege der Güter sowie die Planung und Verwaltung der Bestände im Vordergrund. Diese Einlagerung von Gütern ist eine gewollte Unterbrechung des Materialflusses und dient dem Aufbau eines Puffers zur Abfederung der eigenen, auch möglicherweise schwankenden Bedarfe an Materialien, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder auch Werkzeugen sowie zur Gewährleistung der Lieferfähigkeit von hergestellten Produkten.
Funktionen der Lagerhaltung
Die Lagerhaltung kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein. Unterschieden werden im Allgemeinen bei Lagern die folgenden Funktionen bzw. Aufgaben:
- Sicherungs- und Versorgungsfunktion. Eingelagerte Güter wie Bauteile oder Werkstücke, aber auch Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe werden dazu genutzt, die laufende Produktion zu gewährleisten. Fertige Produkte werden auf Lager gelegt, um eine auch schwankende Nachfrage befriedigen zu können und lieferfähig zu bleiben.
- Überbrückungsfunktion (Ausgleichs- oder Pufferfunktion). Lieferengpässe auf der Beschaffungsseite – etwa durch Mangel an Rohstoffen oder den Ausfall eines systemrelevanten Partners in der Supply Chain – können durch die Lagerhaltung überbrückt werden. Durch die Einlagerung fertiger Produkte können auch beispielsweise saisonale Nachfragespitzen bewältigt werden. So ist ein Ausgleich zwischen Beschaffungs- und Produktionsmenge bzw. Bestands- und Absatzmenge möglich.
- Sortierungsfunktion. Die Einlagerung von Waren oder Materialien nach Produkteigenschaften und internen Kriterien erlaubt eine Sortierung der Güter. Dies ermöglicht unter anderem eine sachgerechte Lagerung. Im Lebensmittelhandel können so beispielsweise verderbliche Waren, Kühl- und Tiefkühlwaren oder haltbare Produkte etwa nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum sortiert werden.
- Veredelungsfunktion. Eine Lagerung kann bei verschiedenen Produkten nötig sein, um bestimmte Qualitätseigenschaften erst zu erwerben. Gärungs- und Reifeprozesse bei Lebensmitteln wie Fleisch- und Milchprodukten (Schinken, Hartwurst, Käse oder Joghurt) oder Teigwaren (Hefebackwaren) gehören ebenso dazu wie die bei Genussmitteln und Getränken (wie Wein oder Bier). Die gewollte Veränderung des Produkts ist unabdingbarer Teil des Produktionsprozesses.
- Umformungsfunktion. Die gelagerten Waren können großen Transportgebinden entnommen und auf kleinere Verkaufseinheiten aufgeteilt werden. Die Lagerung ist damit Voraussetzung für die Kommissionierung.
- Spekulationsfunktion. Waren und Materialien können auf Lager gehalten und damit aus dem Angebot genommen werden, um zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Markt einen höheren Verkaufspreis zu erzielen. Preisschwankungen auf dem Beschaffungs- oder dem Absatzmarkt können damit ausgeglichen werden.
- Darbietungsfunktion. Lagerbestände können vorgehalten werden, um der Kundschaft die Breite des Angebots sichtbar zu machen. Üblich ist diese Vorgehensweise unter anderem in der Automobilbranche – beim Neu- und Gebrauchtwagenhandel. Der vorhandene Lagerbestand wird präsentiert und in den Verkaufsvorgang integriert.
Strategien der Lagerhaltung
Die Lagerhaltung kann nach unterschiedlichen Strategien erfolgen. Welche tatsächlich umgesetzt werden, kommt auch auf die eingelagerten Waren, Güter und Materialien und deren Produkteigenschaften an. Robuste, witterungsbeständige Schüttgüter müssen anders behandelt werden als Elektronikteile oder verderbliche Lebensmittel.
Die gebräuchlichsten Strategien der Lagerhaltung sind:
- First In – First Out (FIFO). Was zuerst eingelagert wurde, wird auch als Erstes wieder dem Lager entnommen.
- Last In – First Out (LIFO). Was als Letztes eingelagert wurde, wird als Erstes wieder ausgelagert. Diese Vorgehensweise ist oft der Lagerkonstruktion geschuldet, wenn zum Beispiel neue Waren vor Bestandsgütern positioniert werden müssen, weil der Zugang nur von einer Seite erfolgen kann. Bei verderblichen Gütern besteht hier das Risiko der Qualitätseinbuße bei nicht direkt zugänglichen Warenbeständen.
- First Expired – First Out (FEFO). Kriterium für die Auslagerung ist hier das Mindesthaltbarkeitsdatum. Weniger haltbare Ware wird vor länger haltbaren Produkten dem Lager entnommen.
- Chaotische Lagerung. Eine Sortierung nach Eingangsdatum, Mindesthaltbarkeit oder anderen Kriterien erfolgt nicht. Die Waren werden so auf die bestehenden Lagerplätze verteilt, dass sie auf kürzestem Weg erreicht und schnellstmöglich ausgelagert werden können.