Aber nicht nur die Bereitstellung von Materialien sollte ohne Wartezeit vonstattengehen, auch die Abholung und Weiterleitung von Zwischen- bzw. Endprodukten sollte möglichst ohne Verzögerung erfolgen. Dabei sind lange Transportwege und ineffiziente Fördertechniken zu vermeiden, um die Durchlaufzeiten kurz zu halten und Verschwendung zu minimieren. Aus dem gleichen Grund sind auch die Lagermengen auf das notwendige Maß zu beschränken.
Wissen, was läuft – die Materialflussanalyse
Um den Materialfluss lenken zu können, müssen Zu- und Abflüsse sowie sein Ist-Zustand bekannt sein. Sichtbar werden der Verlauf und der Zustand des Materialflusses mithilfe der Materialflussanalyse. Mit dieser Methode lassen sich prozessuale Schwachstellen und Engpässe ebenso aufzeigen wie die Schnittstellen, an denen organisatorisch Abstimmungsbedarf besteht. Aus der Analyse kann dann abgeleitet werden, an welchen Stellen Veränderungen notwendig sind, um den Materialfluss als Ausdruck des Wertstroms zu verbessern. Mit dieser Prozessoptimierung steigt die Operational Excellence, messbar an der Gesamtanlageneffektivität (GAE) oder auch Overall Equipment Effectiveness (OEE), und damit der Wertschöpfungsgrad.
Auf Basis der Materialflussanalyse kann auch ein Materialflusskonzept aufgestellt werden. Der Ist-Zustand der Bewegungen von Materialien und Sachgütern wird dabei zunächst schematisiert dargestellt. Dieses Modell ist dann der Ausgangspunkt zur Erarbeitung eines Soll-Zustands, der den angestrebten optimierten innerbetrieblichen Materialfluss aufzeigt. Berücksichtigt werden dabei alle Transport-, Förder-, Lager- und Prüfvorgänge vom Wareneingang bis zum Versand. Abgebildet werden alle Wege und Zeiten sowie der Flächen- und der Personalbedarf. Ein so optimierter Soll-Zustand des Materialflusses kann zum bestimmenden Faktor für das Layout einer Produktionsanlage oder Fertigungslinie werden: Das auf der Materialflussanalyse basierende Materialflusskonzept ist die Blaupause dafür, das bestehende Fabriklayout anzupassen, um Verschwendung zu reduzieren. Wird eine neue Anlage geplant, kann das Layout direkt auf den optimalen Materialfluss abgestimmt werden.
Ablauf der Materialflussanalyse
Bei der praktischen Durchführung einer Materialflussanalyse kann der „Leitfaden für Materialflussuntersuchungen“ des Vereins Deutscher Ingenieure, die VDI-Richtlinie 2689, als Anleitung genutzt werden. Die Materialflussanalyse zählt zudem zu den REFA-Standardmethoden und ist als solche in weiten Teilen der Wirtschaft etabliert.
Der Ablauf der Materialflussanalyse wird, je nach Quelle, in vier und mehr Phasen untergliedert; dies hängt davon ab, welche der grundsätzlich möglichen Schritte wie zusammengefasst werden.
Eine verbreitete Form, bei der der Ablauf in fünf Phasen untergliedert wird, ist diese:
- Zielformulierung. Im Fokus steht hier oft die Durchlaufzeit (z. B.: „Verringerung um 10 %“).
- Festlegung der Systemgrenzen und der Schnittstellen des Beobachtungsbereichs. Betrachtet wird ein bestimmtes Arbeitssystem oder ein Vorgang im Fertigungsprozess (z. B.: „Stanzen des Abschlussblechs“ oder „Fertigung der Baugruppe x“).
- Datenerhebung. Die Ermittlung der Arbeitsdaten kann automatisiert erfolgen (z. B. über die Sensorik der Maschinen, ein Produktionsplanungs- und Steuerungs- (PPS-) oder ein Enterprise-Ressource-Planning- (ERP-)System), aber auch manuell durch Messen, Befragen und Aufschreiben (etwa bei Begehungen, Beobachtungen und Interviews).
- Datenauswertung. Die erhobenen Daten werden statistisch aufbereitet, analysiert und ausgewertet. Die Basisdaten, Bearbeitungen und Resultate werden dokumentiert, die Ergebnisse grafisch dargestellt (z. B. mittels Sankey-Diagramm).
- Ableitung von Maßnahmen. Die ausgewerteten Daten liefern die Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen, die zur Optimierung des Materialflusses beitragen sollen.
Grafische Darstellung des Materialflusses
Das Ergebnis der Materialflussanalyse sollte grafisch dargestellt und damit visualisiert werden, denn Abbildungen wie beispielsweise Flussdiagramme verschaffen einen Überblick und erleichtern das Verständnis von komplexen Vorgängen. Die Verhältnisse werden damit anschaulicher als etwa in unübersichtlichen Tabellen, aus denen die Informationen nicht ohne eine gewisse Erfahrung bei der Interpretation zu entnehmen sind. Abzuwägen ist allerdings immer zwischen einer möglichst übersichtlichen Darstellung und einer (dabei oft unzulässigen) Vereinfachung.
Zu den wichtigsten Elementen der Darstellung zählen:
- interne Mengenstellen wie Lager, Arbeitssysteme, Herstellungsbereiche oder Produktionsanlagen;
- externe Mengenstellen wie Zulieferer, Dienstleistungsbetriebe, Handelsunternehmen oder Reststoffverwerter;
- Materialflüsse als regelmäßige Bewegungen von Sachgütern (Transporte oder Förderleistungen) von einem Ort zum nächsten;
- Systemgrenzen als Schnittstellen zwischen den betrachteten Bereichen.
Bei der Darstellung kann zudem zwischen dem qualitativen und dem quantitativen Materialfluss unterschieden werden:
- Bei der qualitativen Darstellung des Materialflusses werden nur Transport- und Förderbeziehungen dargestellt: Sachgüter gelangen von A nach B. Diese Reduktion fördert die Übersichtlichkeit, insbesondere bei komplexen Zusammenhängen.
- Bei der quantitativen Darstellung des Materialflusses wird neben den Transport- und Förderbeziehungen auch die Art und Menge der bewegten Sachgüter angegeben. Typische Angaben sind Stückzahl, Gewicht oder prozentualer Anteil (wie im Sankey-Diagramm).
Die grafische Darstellung kann eine Vielzahl von Ausprägungen annehmen. Üblich sind Erhebungs- und Materialflussbögen, Zuordnungstabellen, Fluss- und Gantt-Diagramme. Dazu kommen Von-Nach-, Bewertungs- und Gewichtungsmatrizen. Auch Prozessgraphen sowie Netzpläne werden eingesetzt. Die Art der Darstellung sollte sich dabei jeweils an den Verhältnissen vor Ort und den Bedürfnissen der Nutzer oder Entscheider orientieren.