Multimomentstudien


Multimomentstudien Definition

Definition 

Eine Multimomentstudie oder Multimomentaufnahme (MMA ), im englischen Sprachraum „Work Sampling” genannt, ist eine spezielle Art der Zeiterfassung, genauer gesagt: der Zeitdatenermittlung. Wie bei den Systemen vorbestimmter Zeiten (SvZ ) werden bei einer Multimomentstudie die Häufigkeit und der Zeitbedarf von Vorgängen in Arbeitssystemen erfasst. Im Gegensatz zu den SvZ erfolgt die Erhebung der Daten aber nicht über einen längeren Zeitraum – kontinuierlich – in nur einem Arbeitssystem.

Stattdessen werden mehrere Abläufe parallel in einer größeren Anzahl von (gleichartigen oder vergleichbaren) Systemen erfasst – daher „Multi“ –, und zwar stichprobenhaft zu einem zufällig gewählten Zeitpunkt oder „Moment“. Multimomentstudien liefern so mit deutlich weniger Aufwand als bei kontinuierlichen Methoden statistisch abgesicherte Aussagen über die Arbeitssituation. Da die Angaben zudem (in den meisten Fällen) nicht personalisiert sind, entfallen entsprechende Datenschutzauflagen bei deren Erhebung, Speicherung und Weiterverarbeitung.

Definition

REFA definiert die Multimomentstudie oder Multimomentaufnahme (MMA) ganz allgemein als „Methode zur Ermittlung der Häufigkeit interessierender Ereignisse“.

Spezifiziert wird daraus eine REFA-Standardmethode, bei der zuvor festgelegte – vereinfacht gesagt: Vorgänge – elektronisch, in Form einer Strichliste oder, bei von Dritten nicht einschätzbaren geistigen oder kreativen Tätigkeiten, durch Selbstaufschreibung erfasst werden. Die Anzahl der notwendigen Datenaufnahmen bzw. Notierungen wird mittels statistischer Verfahren aus der vorher festgelegten gewünschten Aussagesicherheit abgeleitet. Aus den prozentualen Anteilen der Ablaufarten während des Beobachtungszeitraums kann dann deren relativer Zeitbedarf berechnet und auf andere Zeiträume – beispielsweise auf die Dauer einer Schicht – hochgerechnet werden. Bei lang (auch über mehrere Schichten) dauernden, gleichförmigen Abläufen wird auf das Multimoment-Zeitmessverfahren (MMZ) zurückgegriffen.

Durchgeführt werden kann die Multimomentstudie bei Einsatz mehrerer geschulter und entsprechend qualifizierter Personen als Beobachter an bis zu 50 Arbeitssystemen gleichzeitig. Unterbrechungen der Erfassung sind ohne Beeinträchtigung der Ergebnisse möglich, da die Erhebung stichprobenhaft und zufällig erfolgt.

Bedeutung

Multimomentstudien gehören zu den wichtigsten Anwendungen der Datenermittlung in der Industrie und werden mittlerweile auch in vielen anderen Bereichen, etwa im Dienstleistungssektor oder in der Verwaltung, durchgeführt. Von großer Bedeutung sind sie, da sich mit ihnen über statistisch abgesicherte Ergebnisse der Aufwand für bestimmte Tätigkeiten und Vorgänge erfassen und angeben lässt.

Dadurch wird es beispielsweise möglich, den Personaleinsatz für die Ausführung bestimmter Aufgaben oder die Auslastung von Maschinen und Fertigungsanlagen zu bestimmen. Dies ist ein erster, wichtiger Schritt in Richtung kontinuierlicher Verbesserung der Wertschöpfungskette oder Prozessoptimierung zur Steigerung der Effizienz und damit der Wirtschaftlichkeit von Verfahrensweisen.

Nach entsprechender Auswertung der Daten ermöglichen solche Multimomentaufnahmen auch die Festlegung von Soll-Werten als Leistungsvorgaben. Diese Vorgabewerte dienen als Grundlage der Leistungsgradbeurteilung von Beschäftigten und können darüber zur Berechnung von Entgelten (wie etwa Leistungslöhnen) herangezogen werden. Das methodische Vorgehen bei Multimomentaufnahmen und die Verfahren zur Datenerhebung sind daher oft in Verträgen zwischen den Tarifparteien oder in Betriebsvereinbarungen festgelegt.

Durchführung: das REFA-Standardprogramm Multimomentaufnahme

Bei einer Multimomentstudie werden Häufigkeit und Zeitbedarf vorher festgelegter Ablaufarten in mehreren (gleichartigen) Arbeitssystemen stichprobenartig erfasst. In Industriebetrieben handelt es sich meist um die Bereiche Produktion oder Logistik, aber auch die Abteilung Forschung und Entwicklung, die Administration oder der Dienstleistungssektor – der Service – können einbezogen werden. Aufgrund der Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten können aber auch Organisationen anderer Wirtschaftsbereiche und Sektoren von einer Multimomentstudie profitieren.

Die Datenerhebung erfolgt im Rahmen von Rundgängen, bei denen Fachkräfte Kurzzeitbeobachtungen durchführen. Unterstützt werden die Beobachter mit Hard- und Software, um aufwendige Berechnungen und Auswertungen automatisch durchführen zu können. Alle Details werden in einem übersichtlich strukturierten Abschlussbericht dokumentiert. Dieser kann als Grundlage für weitere Analyse- und Optimierungsschritte genutzt werden.

Gemäß REFA-Standardprogramm erfolgt die Durchführung einer Multimomentaufnahme in acht Schritten.

  1. Ziel festlegen: Daten dürfen nur aus einem bestimmten Grund erhoben werden, daher ist auch bei der Multimomentaufnahme zunächst das Ziel zu formulieren – beispielsweise die Darstellung der Anteile unterschiedlicher Tätigkeiten in einem Arbeitssystem während einer Schicht. Danach folgt die Auswahl der zu betrachtenden Arbeitsplätze, Betriebsmittel und Beschäftigten.
  2. Ablaufarten festlegen und beschreiben: Welche Ablaufarten betrachtet werden sollen, muss durch deren Auflistung und Definition eindeutig sein. Bedingung für die Erhebung ist, dass diese Ablaufarten relevant und durch kurzzeitige Beobachtung Dritter eindeutig identifizierbar sind. Die Anzahl an Ablaufarten sollte möglichst niedrig gehalten werden, da mit jeder weiteren Ablaufart der erforderliche Beobachtungsumfang überproportional wächst.
  3. Rundgangsplan festlegen: Die Wege und Beobachtungsstandpunkte müssen festgelegt und in einem Rundgangsplan skizziert werden. Es gilt, alle relevanten Arbeitsplätze in dem betrachteten Arbeitssystem zu berücksichtigen und Standpunkte als Messstellen so zu wählen, dass die Ablaufart problemlos und schnell erkannt und aufgenommen werden kann.
  4. Zahl der Beobachtungen festlegen: Der Stichprobenumfang ist anhand des geforderten Vertrauensbereichs der Ergebnisse zu bestimmen. Die Genauigkeit und die Aussagekraft sind pragmatisch an den gestellten Zielen und dem gewünschten Erkenntnisgewinn auszurichten.
  5. Rundgangszeitpunkte bestimmen: Die Zeitpunkte für die einzelnen Rundgänge – pro Tag oder je Schicht – sind zufällig zu wählen, damit die Anforderungen der Statistik erfüllt und eine unbewusste Beeinflussung der Ergebnisse durch eine regelmäßige Beobachtung ausgeschlossen werden. Zu berücksichtigen ist dabei die Häufigkeit, in der sich die Ablaufarten ändern.
  6. Die ersten 500 Beobachtungen durchführen: Die Rundgänge werden unter Berücksichtigung der Arbeitszeiten und Pausen durchgeführt. Proberundgänge vor Beginn der eigentlichen Multimomentaufnahme können durchgeführt werden, um die Beobachter mit der Aufnahmetechnik vertraut zu machen und den Erfassungsbogen in Bezug auf Vollständigkeit und Praktikabilität zu überprüfen.
  7. Zwischenauswertung: Aus statistischer Sicht ergibt sich mit zunehmender Anzahl an Beobachtungen eine sich an reale Werte annähernde Häufigkeitsverteilung bei den beobachteten Ablaufarten. Eine Zwischenauswertung nach rund 500 Beobachtungen ist geeignet, um die ursprünglich geschätzte Verteilung durch die näherungsweise ermittelte zu ersetzen. Zudem wird geprüft, ob die zu Beginn festgelegte Anzahl von erforderlichen Beobachtungen ausreicht, um die gewünschte Aussagekraft zu erreichen, oder ob die Studie verkürzt oder verlängert werden sollte.
  8. Endauswertung: Die Endauswertung entspricht im Wesentlichen der Zwischenauswertung. Werden elektronische Tools wie eine Tabellenkalkulation eingesetzt, kann die Zwischenauswertung kontinuierlich zur Endauswertung erweitert werden.

Fazit

Multimomentstudien sind wichtige Hilfsmittel zur Erfassung von betrieblichen Abläufen. Die statistische Auswertung der so erhobenen Daten kann einerseits auf Schwachstellen in Arbeitssystemen hinweisen und Verbesserungspotenziale aufzeigen; Multimomentaufnahmen können damit Ansatzpunkte für Prozessoptimierungen liefern und so zur Effizienzsteigerung von Verfahren und Abläufen in der Wertschöpfungskette beitragen. Andererseits können die Daten zur Festlegung von Soll-Werten als Vorgabezeiten für Arbeitsabläufe genutzt werden, um darauf über die objektive(re) Bewertung der Arbeitsleistung von Beschäftigten leistungsgerechte(re) Entgeltsysteme zu etablieren.

Das Vorgehen bei Multimomentaufnahmen als REFA-Standardmethode ist in acht Schritte gegliedert. Wichtig ist, dass nur dafür ausgebildete Fachkräfte die Studien durchführen sollten, um eine möglichst einflussfreie Datenerhebung zu gewährleisten und statistische Verzerrungen bei der Auswertung zu vermeiden.

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