Soll-Wert

Definition
Der Soll-Wert ist der „Wert, den eine [physikalische] Größe haben soll“ (Duden online, Stichwort „Sollwert“ (Dudenschreibweise), [25.09.2024].
Die Formulierung „haben soll“ lässt dabei grundsätzlich zwei Interpretationsmöglichkeiten zu: Der Soll-Wert kann, je nach Kontext und Anwendungsbereich, als vorgegebener Wert oder als normierter Wert betrachtet werden. Diese beiden Größen lassen sich wie folgt unterscheiden:
- Der Vorgabewert wird als anzustrebende oder zu erreichende Zielgröße festgelegt.
- Der Normwert oder Normalwert ergibt sich als statistischer Mittelwert, in der Regel als arithmetisches Mittel, aus der Auswertung erhobener Daten oder Messwerte.
Der Soll-Wert ist damit immer ein theoretisches Konstrukt. Seine Bedeutung erhält er durch die Konkretisierung beim Vergleich mit dem dazugehörigen Ist-Wert. Dieser bildet den tatsächlichen, real existierenden Zustand ab. Der Ist-Wert kann zum Beispiel ein einzelner Messwert oder eine Maßzahl sein, ein mit statistischen Methoden ermittelter (Durchschnitts-)Wert oder eine berechnete Kennzahl. Idealerweise stimmen Ist- und Soll-Wert überein – oder weisen eine möglichst geringe Abweichung voneinander auf.
Typische Anwendungsbereiche von Soll-Werten
Soll-Werte werden in den unterschiedlichsten Bereichen angewendet, in Wissenschaft und Technik ebenso wie in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wichtig sind sie unter anderem in den im Folgenden angeführten Feldern.
Kybernetik bzw. Regelungstechnik
Der Soll-Wert ist in diesem Zusammenhang die vorgegebene Regelgröße, auch Führungsgröße genannt. Der (gemessene) Ist-Wert wird als Stellgröße bezeichnet. Weicht diese vom Soll-Wert ab, werden Elemente des Regelkreises aktiviert. Im Zusammenspiel von Fühler und Sensoren sowie Reglern als Aktoren und Stellgliedern wird über die Regelstrecke der Ist-Wert an den Soll-Wert angenähert.
Qualitätskontrolle
Der Soll-Wert ist hier eine vorgegebene Größe, die als Gütekriterium nicht unterschritten werden darf. Abgeleitet wird der Soll-Wert aus den von Abnehmer- und Anbieterseite bestehenden Ansprüchen an die Eigenschaften eines Angebots – also aus den Markterfordernisse bzw. den internen Vorgaben.
Die ermittelten Ist-Werte stimmen in der Regel aufgrund von Fertigungstoleranzen, Messungenauigkeiten und systematischen sowie zufälligen Fehlern bei der Probennahme und der Datenerhebung nicht mit dem Soll-Wert überein. Da dieser quasi nie exakt erreicht werden kann, sind bei der Qualitätskontrolle Schwankungsbreiten zu definieren, in deren Grenzen das Produkt noch als „Gutteil“ angesehen wird.
Als mathematisch-statistisches Verfahren zur Qualitätskontrolle wird oft die Methode Six Sigma (6 σ) angewendet. Der englische Name steht für das Sechsfache der Standardabweichung (Sigma) bei einer Normalverteilung (Gauß’sche Glockenkurve). Der Soll-Wert wird als arithmetischer Mittelwert der relevanten Messdaten definiert. Bei 6 σ liegen so umgerechnet 99,99966 Prozent aller Messwerte innerhalb der zulässigen Abweichung, also im Toleranzbereich. Damit befinden sich bei einer Million Messungen nur 3,4 Ist-Werte außerhalb der Qualitätsgrenze, es wird quasi die „Null-Fehler-Produktion“ erreicht.
Arbeitswissenschaften
Soll-Werte sind hier von hoher Bedeutung, da mit ihnen unter anderem Erreichungsgrade als relative oder absolute Abweichung der Ist-Werte vom Soll-Wert berechnet werden können. Damit sind Soll-Werte oft die (Daten-)Grundlage für:
- die (monetäre) Bewertung von Tätigkeiten;
- die Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Mensch und Technik, also Arbeitnehmern, Geräten, Maschinen, Anlagen oder Fertigungssystemen;
- die Kontrolle und Überwachung der Effizienz von Prozessen, Vorgängen oder Arbeitsabläufen;
- die Kosten-Nutzen-Analyse von (Herstellungs-)Verfahren oder (Verbesserungs-)Maßnahmen, etwa beim Arbeitsschutz oder im Rahmen der Qualifizierung von Beschäftigten.
Soll-Werte werden entweder aus theoretischen Zusammenhängen oder durch statistische Aufbereitung aus Ist-Werten abgeleitet. So werden etwa bei Zeitstudien und Zeitaufnahmen (Multimomentaufnahmen, MMA) Arbeitsprozesse und Arbeitsschritte in kleinste Abläufe aufgesplittet und den jeweiligen Ablaufarten zugeordnet (Systeme vorbestimmter Zeiten, SvZ). Die Soll-Zeiten der einzelnen Ablaufabschnitte, die auf diese Weise ermittelt wurden, werden zu einer Grundzeit für den Arbeitsablauf eines Fertigungsschritts aufsummiert. Diese Grundzeiten sind dann die Basis für die Erarbeitung leistungsgerechter Entgeltsysteme. Dazu gehört zum Beispiel die Berechnung von Akkordlöhnen bei Akkordarbeiten.
Projektmanagement
Der Soll-Wert repräsentiert eine im Projektplan vereinbarte Größe, die zu einem festgelegten Zeitpunkt eine bestimmte Maßzahl annehmen soll. Über einen solchen Soll-Wert lassen sich eine Vielzahl von Angaben verbindlich formulieren, unter anderem die Anzahl der Projektmitarbeiter im Projektteam, die Menge der erledigten Arbeitspakete bis zu einem Meilenstein, die geplanten Kosten für ein Arbeitspaket oder der Termin des Projektabschlusses. Weichen die tatsächlich ermittelten Ist-Größen vom Soll-Wert ab oder wird eine Abweichung wahrscheinlich, ist es Aufgabe der Projektleitung, über Steuerungsmaßnahmen das Erreichen der vorgegebenen Soll-Werte zu gewährleisten.
Medizin
Der Soll-Wert entspricht hier häufig einem empirisch ermittelten oder auf Erfahrung beruhendem Normalwert oder einem statistisch berechneten Durchschnittswert. In der Regel wird ein Toleranzbereich als Soll-Wert festgelegt. Dieser entspricht der Streuung in der betrachteten Kohorte bzw. Personengruppe. Liegen Werte außerhalb dieses Toleranz- oder Normbereichs, wird daraus in der Regel eine Behandlungsbedürftigkeit abgeleitet.
Sozial- und Gesellschaftswissenschaften
In diesen Fachbereichen wird wieder zwischen Vorgabe- und Normalwerten als zwei Arten von Soll-Werten unterschieden:
- Vorgabewerte beziehen sich auf angestrebte, gewünschte oder regelkonforme Größen. Dazu gehören etwa die Anzahl von Einrichtungen, Personalschlüssel oder Personaleinheiten pro Kopf der Bevölkerung. Typische Beispiele sind Schulen, Lehrkräfte, Krankenhäuser oder Fachärzte pro 100.000 Einwohner
- Normalwerte sind meist ein auf Erfahrung basierender oder statistisch ermittelter Durchschnittswert. Grundlage sind oft demografische Merkmale oder regionale Faktoren. Soll-Werte können zum Beispiel für den Erfolg von Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen, die Armutsgrenze oder die Inflationsrate ermittelt bzw. festgelegt werden.
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