Tätigkeitsanalyse

Definition
Bei der Tätigkeitsanalyse handelt es sich um eine Untersuchung der bei der Bearbeitung einer Aufgabe oder Erfüllung eines Auftrags anfallenden Handlungen . Die Tätigkeiten können dabei im beruflichen oder im privaten Bereich ausgeführt werden und auch im Rahmen eines freiwilligen Engagements anfallen.
Betriebswirtschaftliche Bedeutung erhält die Tätigkeitsanalyse bei der Untersuchung eines soziotechnischen Systems. Dieses ist definiert als eine Organisation, in denen Menschen unter Nutzung technischer Installationen koordiniert zusammenwirken. Typische Beispiele sind produzierende Unternehmen und Dienstleistungsbetriebe oder auch Verwaltungseinheiten. Die Tätigkeitsanalyse kann dann beschrieben werden als Ansatz zur Identifizierung und Untersuchung der von den Angehörigen dieser Einrichtung verrichteten aufgabenbezogenen – beruflichen – Arbeiten.
Aus den Erläuterungen zu den beiden Begriffen „Tätigkeit“ und „Analyse“ gemäß Duden lässt sich folgende Definition ableiten:
Die Tätigkeitsanalyse ist eine strukturierte, systematische Aufschlüsselung (= Analyse) der Gesamtheit der Verrichtungen (= Tätigkeiten), die eine Person bei der Ausübung ihres Berufs als Arbeitsaufgaben erfüllt.
Abgrenzung gegenüber Prozess- und Ablaufanalyse
Die Prozessanalyse und die Ablaufanalyse bzw. Arbeitsablaufanalyse als deren weniger umfangreiche Ausführung fokussieren das Zusammenspiel von Mensch und Technik bei der Erfüllung einer Aufgabe. Bei der betrieblichen Leistungserstellung in der Wertschöpfungskette kann es sich zum Beispiel um die Fertigung eines Produkts oder die Erbringung einer Dienstleistung handeln. Das Vorgehen folgt dabei dem Prinzip „vom Groben ins Detail“: Prozesse werden bei der Analyse in Phasen untergliedert, die wiederum in verschiedene Arbeitsabläufe und weiter in einzelne Arbeitsschritte bzw. Arbeitsabschnitte zerlegt werden. Letztere sind dann von einer technischen Einrichtung, einer Person oder – bei handgeführten Geräten – von beiden zusammen auszuführen. Basis einer solchen Analyse sind die für die spezifischen Arbeitsschritte relevanten Prozessdaten. Erfasst werden bei dieser Datenermittlung insbesondere die für die Ausführung eines Arbeitsabschnitts erforderlichen Zeiten (Beispiel Stanzvorgang an einem Arbeitsplatz: manuelles Einlegen eines Blechs – maschinelles Stanzen, während der Mitarbeiter wartet – manuelle Entnahme). Die Analyse einer solchen Kette von untereinander abhängigen Vorgängen ist systembedingt prozessorientiert.
Die Tätigkeitsanalyse bezieht sich dagegen auf die Arbeiten, die ein Mensch in der Position, die er im soziotechnischen System einnimmt, auszuführen hat. Auch hier werden die Tätigkeiten in separate Arbeitsschritte unterteilt, für die – zum Beispiel über eine Zeitaufnahme – die jeweiligen Zeitdaten ermittelt werden. Fokussiert wird aber nicht das Zusammenspiel von Mensch und Technik an einem Arbeitsplatz, sondern die Gesamtheit an Aufgaben, die eine Person bei der Ausübung ihres Berufs ausführt (Beispiel: Bearbeitung von Werkstücken, Rüsten und Warten der Maschine, Dokumentation). Erledigt werden können die einzelnen Aufgaben auch an mehreren Arbeitsplätzen (im Beispiel: in der Werkhalle an der Maschine sowie am Computer im Büro zur Dokumentation). In der Fertigung kann so zum Beispiel die Job-Rotation analysiert werden; beim Servicepersonal lassen sich so die im Büro, in der Reklamationsabteilung und im Außendienst anfallenden Aufgaben untersuchen. Die Tätigkeitsanalyse ist damit nicht prozess-, sondern funktionsorientiert und kann als Grundlage für eine Stellenbeschreibung genutzt werden.
Ziele der Tätigkeitsanalyse
Jede unternehmerische Entscheidung sollte auf der möglichst genauen Kenntnis des Ist-Zustands der Organisation beruhen. Zu betrachten sind dabei die technische, die personelle und die finanzielle Ebene. Anhand eines Vergleichs mit dem Soll-Zustand lassen sich bestehende Stärken und Schwächen erkennen. Der zeitliche Verlauf lässt sich mithilfe entsprechender Kennzahlen abbilden; so werden Potenziale und Defizite sichtbar. Die Aufgabe des Controllings ist hier, relevante Zahlen aus den drei Ebenen auszuwerten und Informationen zu liefern, die eine Entscheidungsfindung unterstützen.
Tätigkeitsanalysen zielen dabei insbesondere auf den organisatorischen und personellen Bereich ab und weniger auf den technischen. Die Ergebnisse einer Tätigkeitsanalyse sind daher die Grundlage dafür, den menschlichen Faktor – die „Human Resources“ (HR) – zu charakterisieren und Mitarbeiter besser in das bestehende Arbeitssystem zu integrieren. Ansätze sind unter anderem:
- Optimierung der bestehenden Schnittstellen. So können die Zuständigkeiten beim Zusammenwirken von Personen oder Abteilungen klar abgegrenzt werden. Aber auch die Benutzerschnittstelle zwischen Mensch und Maschine (Human Machine Interface, HMI) bzw. Mensch und Computer (Human Computer Interface, HCI) lässt sich auf dieser Grundlage verbessern.
- Erhöhung der Ergonomie an den vorhandenen Arbeitsplätzen.
- Anpassung der Arbeitsschutzmaßnahmen zur Steigerung der Arbeitssicherheit und zur Reduzierung der gesundheitlichen (physischen und psychischen) Belastungen.
- Einsatz von Beschäftigten entsprechend ihren individuellen Fähig- und Fertigkeiten.
- leistungsgerechte Entlohnung der Mitarbeiter.
- Steuerung des HR-Managements. Die Personalabteilung kann die ermittelten Daten dazu nutzen, Stellenbeschreibungen und Stellenprofile zu erstellen und das HR-Management daran auszurichten. Einbeziehen lassen sich alle Bereiche – von der Personalbeschaffung über das Onboarding und Personalentwicklungsmaßnahmen bis zu Nachfolge-, Ersatz- und Vertretungsregelungen.
- Etablierung eines Wissensmanagements. Hier erfolgt die Umwandlung von implizitem Wissen der Mitarbeiter in explizites Wissen, unter anderem durch (Selbst-)Aufschreibung und Beobachtung.
Vorrangiges Ziel der Tätigkeitsanalyse ist die Optimierung des Personaleinsatzes sowie die Minimierung von Verschwendung. Ersteres lässt sich durch eine sach- und fachgemäße Beschäftigung der Mitarbeiter erreichen, Letzteres durch bessere Organisation der Arbeit. Dazu gehören etwa die passende Bereitstellung von Arbeitsmitteln sowie Vermeidung von doppelten Arbeiten oder langen Wegen. Ein weiters Ziel ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, um Unter- oder Überforderung der Beschäftigten möglichst auszuschließen.
Genau auf die Bedürfnisse der Organisation und der Mitarbeiter abgestimmte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen können dazu beitragen, die notwendigen Qualifikationen zu erwerben. Zudem sollte die Motivation der Organisationsmitglieder durch wertschätzende Anerkennung der persönlichen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft gesteigert werden. Die Tätigkeitsanalyse wird damit zur Grundlage für die Erhöhung der Produktivität und damit der Effizienz der betrieblichen Prozesse.
Durchführung einer Tätigkeitsanalyse
Die Beschreibung der Tätigkeit von Organisationsmitgliedern erfolgt, wie bei der Ablaufanalyse, durch die Zerlegung der Arbeit in verschiedene, auf die Arbeitsaufgaben bezogene Handlungen. Die daraus resultierenden Arbeitsabschnitte werden in ihrer Dauer erfasst. Die Datenermittlung erfolgt entweder durch Befragungen und Beobachtungen oder (bei überwiegend geistigen oder kreativen Tätigkeiten) durch Selbstaufschreibungen.
Befragungen finden in der Form von (teil-)standardisierten Interviews oder Fragebögen statt. Für die Beobachtungen werden psychologisch geschulte Fachkräfte einbezogen, die oft auch sogenannte Beobachtungsinterviews durchführen. Selbstaufschreibungen beruhen darauf, dass die betroffenen Mitarbeiter selbst vorgegebene Fragebogen ausfüllen. Dabei dokumentieren sie die anfallenden Aufgaben und schätzen subjektiv ihre Arbeiten sowie ihre Belastungssituation ein.
Bei der Tätigkeitsanalyse können die folgenden W-Fragen dabei unterstützen, den jeweiligen Inhalt einer Tätigkeit zu konkretisieren:
- Wer ist die handelnde Person?
- Was macht diese Person, welche Handlung führt sie aus?
- Wozu wird diese Tätigkeit ausgeführt, mit welchem Ziel?
- Woran wird gearbeitet, an welchem Gerät oder welcher Anlage?
- Womit wird die Tätigkeit unterstützt – Werkzeuge, Hilfsmittel, Betriebsstoffe?
- Welche Bedingungen herrschen bei der Ausführung – Raumklima, Lichtverhältnisse, Platzangebot, ...?
- Woraufhin, auf welches Signal oder aufgrund welcher Ursache als Auslöser, kommt der Prozess in Gang?
- Warum wird so und nicht anders gehandelt – welche Ursachen sind zu berücksichtigen?
Methoden
Es gibt eine ganze Reihe von Methoden, um eine Tätigkeitsanalyse durchzuführen. Teilweise sind die eingesetzten Tools hoch spezialisiert und an bestimmte Aufgaben, Arbeitsbereiche, Tätigkeiten oder Branchen angepasst.
Die Arbeitswissenschaft und die Arbeits- und Organisationspsychologie haben allerdings einige standardisierte Untersuchungsinstrumente entwickelt, um die Arbeitsgestaltung zu erfassen und zu bewerten. Diese Methoden sind in Wissenschaft und Praxis allgemein anerkannt und etabliert. Manche Verfahren weisen dabei auch Überschneidungen auf.
- Allgemeine Verfahren beziehen ein großes Spektrum an Merkmalen ein. Zu diesen gehören der klassische amerikanische Position Analysis Questionnaire (PAQ) und dessen Übersetzung als Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA). Aus diesem abgeleitet wurde das Arbeitswissenschaftliche Erhebungsverfahren zur Tätigkeitsanalyse (AET). Dieses weit verbreitete Standardverfahren ist auf die Arbeitsgestaltung und Anforderungsermittlung nach REFA und die Sicherheitsanalyse abgestimmt. Es besteht aus den drei Teilen Arbeitssystemanalyse, Aufgabenanalyse und Anforderungsanalyse. Häufig angewendet werden auch das Job Diagnostic Survey (JDS), die Mensch-Technik-Organisationsanalyse (MTO), der Fragebogen zur subjektiven Arbeitsanalyse (SAA), das Tätigkeitsanalyseinventar (TAI) und das Tätigkeitsbewertungssystem (TBS) als weitere allgemeine Verfahren. Für besonders strukturierte Organisationen wie etwa Krankenhäuser wurden spezielle Verfahren entwickelt.
- Speziellere Verfahren dienen der Messung von physischen und psychischen Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz. Zu diesen gehören etwa das Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse (ISTA) und das Verfahren zur Erfassung der Regulationshindernisse in der Arbeitstätigkeit (RHIA).
- Andere Verfahren dienen der Analyse spezifischer Einzelmerkmale. Das Verfahren zur Ermittlung von Regulationserfordernissen in der Arbeitstätigkeit (VERA) ist weit verbreitet. Im Bereich Arbeitssicherheit wird häufig der Fragebogen zur Sicherheitsdiagnose (FSD) eingesetzt. Dazu kommen als Methoden die Analyse von Arbeit im Haushalt (AVAH) oder die Kontrastive Aufgabenanalyse im Bereich Büro und Verwaltung (KABA).
In der Regel werden bei den standardisierten Verfahren gleichzeitig Aufgaben sowie darauf bezogene Anforderungen ermittelt. Damit sind sie wie das Arbeitswissenschaftliche Erhebungsverfahren zur Tätigkeitsanalyse (AET) auch für die Aufgaben- oder die Anforderungsanalyse geeignet.
Ihr Ansprechpartner
Torsten Klanitz
Produktmanager
Fon: +49 6151 8801-125