Verteilzeiten


Verteilzeiten

Definition

In keiner Organisation, unabhängig von Sektor, Branche, Größe, Angebot und Rechtsform, wird immer nur zielgerichtet und mit höchster Effizienz gearbeitet.

Neben den wertschöpfenden Vorgängen als Kernprozessen gibt es immer auch einen gewissen Anteil an Aufgaben und Tätigkeiten, die nur indirekt oder langfristig zur Schaffung eines Mehrwerts beitragen – oder gar nicht.

Hierbei muss unterschieden werden in unterstützende Prozesse, wie beispielsweise die Buchhaltung oder das Reklamationsmanagement, und in unplanmäßige Vorkommnisse, wie Störungen oder Ausfälle. Erstere sind zwar notwendig, sollten aber sorgfältig geplant, organisiert und durchgeführt werden, um ihren Anteil zu reduzieren und damit die Produktivität zu erhöhen. Letztere sind Abläufe und Geschehnisse, die gar keinen Mehrwert erzeugen oder sogar die Wertschöpfung be- oder verhindern. Sie sind unproduktiv und bedeuten in letzter Konsequenz Verschwendung.

Alle Zeitanteile, in denen nicht die vorgesehenen oder im (Arbeitsvertrag) vereinbarten Aufgaben bearbeitet werden, werden als Verteilzeiten bezeichnet – wobei die Verteilzeit früher mit dem Begriff Verlustzeit belegt wurde. Gemäß Lean-Ansatz sollten diese Zeiten möglichst minimiert werden, um die Effizienz der Wertschöpfungskette zu erhöhen und den Einsatz der knappen und teuren Ressourcen nachhaltiger zu gestalten.

Verteilzeit – Definitionen

In nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführten Unternehmen, insbesondere im Bereich Produktion und Fertigung, hat sich als Begriffsbestimmung die REFA-Definition der Verteilzeit durchgesetzt: „Die Verteilzeit tV besteht aus der Summe der Zeiten aller Ablaufabschnitte, die zusätzlich zur Ausführung planmäßiger Arbeitsabläufe sowie auftragsunabhängig auftreten können.“

Auf Verwaltungsebene werden Verteilzeiten allgemein definiert als „alle während der Arbeitszeit aufgewendeten Zeiten, die nicht unmittelbar zur Erfüllung der konkret übertragenen Aufgaben gehören“ (Leitfaden zur Personalbedarfsermittlung (2021), hrsg. vom  Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat / Bundesverwaltungsamt, S. 60).

Eine ausführlichere Definition bezieht zusätzlich noch die Verwendung mit ein: Verteilzeiten sind danach „Zeitanteile, die nicht für den Arbeitsprozess selbst verwendet werden (nicht wertschöpfend sind), aber dennoch als Arbeitszeit gerechnet werden und deshalb bei der Ermittlung des Personalbedarfs, der Kapazität oder des Auslastungsgrades berücksichtigt werden müssen. Sie werden im allgemeinen als Zuschlag zur Grundzeit berechnet“ (Online-Verwaltungslexikon olev.de).

Die beiden letzten Definitionen können auch branchenübergreifend als allgemeingültig aufgefasst werden. Im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen zählen bei Verwaltungseinheiten allerdings Erholungszeiten meist als persönliche Verteilzeiten. Diese werden daher vergleichsweise hoch angesetzt. Nur bei besonders belastenden Arbeiten, etwa an Bildschirmarbeitsplätzen, werden die (gesetzlich vorgeschriebenen) speziellen Pausenzeiten separat als Erholungszeiten ausgewiesen.

Verschiedene Arten von Verteilzeiten

Verteilzeiten (tV) werden in den meisten Fällen auf den Menschen und seine Arbeitsleistung bezogen. Unterschieden wird dabei generell zwischen der sachlichen Verteilzeit (tVs) und der persönlichen Verteilzeit (tVp):

  • Die sachliche Verteilzeit (tVs) umfasst die Zeiten, die für Sachtätigkeiten anfallen, die zusätzlich zur eigentlichen Arbeitsaufgabe zu erledigen sind. Dazu gehören beispielsweise organisatorische Aufgaben, betriebliche Veranstaltungen oder die Betreuung von Auszubildenden. Sie wird noch einmal unterschieden in die (auftragsunabhängige) sachlich konstante Verteilzeit (tVsk) und die sachlich variable Verteilzeit (tVsv). Konstant sind etwa die Zeiten für regelmäßig stattfindende Besprechungen oder Zeitfenster für die Schulung von Mitarbeitern. Variabel sind zum Beispiel Wartezeiten bei der Ausgabe von Werkzeugen oder bei Störungen, die situative Anleitung oder Einarbeitung von Azubis oder Praktikanten sowie Zeiten für die auftragsabhängige Abstimmung des Vorgehens mit der Kundschaft.
  • Die persönliche Verteilzeit (tVp) enthält alle Zeiten für ein persönlich bedingtes Unterbrechen der Tätigkeit, beispielsweise für die private Kommunikation untereinander oder Bedürfnisse wie Trinken oder den Toilettengang.

Der Anteil an der Arbeitszeit liegt bei der sachlichen Verteilzeit erfahrungsgemäß bei rund fünf Prozent, wogegen die persönliche Verteilzeit meist zehn Prozent beträgt. Beide Zeiten bzw. deren Anteile an der Arbeitszeit können organisationsintern im Rahmen einer Verteilzeitstudie ermittelt werden. In einer Branche werden sie oft durch einen Tarifvertrag, in einem Unternehmen durch eine Betriebsvereinbarung festgelegt – oft auch nur nach einer Abschätzung und ohne Durchführung einer Verteilzeitstudie.

Zusammen ergeben die sachliche und die persönliche Verteilzeit die Verteilzeit tv:

tV = tVs+ tVp               bzw.      tV = (tVsk + tVsv) + tVp

Der Verteilzeitansatz lässt sich auch auf die Betriebsmittel (B) übertragen – also die Maschinen und Anlagen:

  • Die sachliche Betriebsmittel-Verteilzeit besteht aus den Elementen „zusätzliche Nutzung“ (tBZ) und „störungsbedingte Unterbrechung“ (tBS). Erstere ergibt sich bei kurzfristiger, ungeplanter Änderung des Geräteeinsatzes, Letztere bei einem Zwischenfall, der zum Stillstand der Anlage führt – etwa ein Stromausfall.
  • Die „persönliche“ Betriebsmittel-Verteilzeit (tBP)umfasst die durch das Bedienpersonal verursachte unterbrochene Nutzung der Maschine oder Anlage. Dazu gehören das Zuspätkommen ebenso wie der Toilettengang oder ein Hustenanfall.

Daraus lässt sich dann als Kennziffer die Betriebsmittel-Verteilzeit (tVB) berechnen.

Hohe Anteile an sachlichen Verteilzeiten sind ein Zeichen für nicht optimale Organisation: Einerseits werden zusätzliche, nicht arbeitsbezogene Aufgaben übernommen und ausgeführt oder es treten Störungen im Ablauf auf, die durch bessere Planung oder ein ausgereiftes Instandhaltungsmanagement vermieden werden könnten. In all diesen Fällen besteht ein hohes Optimierungspotenzial. Durch die gezielte Reduzierung der sachlichen Verteilzeiten lässt sich daher rasch eine höhere Produktivität erreichen. Es gilt: Der Prozentsatz der sachlichen Verteilzeit sinkt umso mehr, je besser ein Prozess organisiert ist – und umgekehrt.

Bestimmung der Verteilzeiten – die Verteilzeitstudie

Eine Verteilzeitaufnahme ist eine Zeitstudie, bei der Arbeitsabläufe in Abschnitte zerlegt werden, deren jeweilige Dauer festgestellt wird. Empirisch ermittelt werden die Verteilzeiten in der Regel mit einer dieser drei Methoden:

  • mit der Verteilzeitaufnahme als kontinuierlicher Langzeiterhebung;
  • per Verteilzeitaufnahme als Erhebung in ausgewählten Arbeitsbereichen gemäß statistischer Zufallsverteilung an mehreren Arbeitstagen;
  • mittels Multimomentstudie oder Multimomentaufnahme (MMA) als diskontinuierliche Erhebung an verschiedenen Orten – auch durch mehrere Personen – anhand von wiederkehrenden Rundgängen nach statistischer Zufallsverteilung.

Unterschieden werden bei der Verteilzeitstudie diese Zeitarten:

  • Aufnahmezeit tAZ
  • Grundzeit tG
  • Erholungszeit tEr
  • persönliche Verteilzeit tVp
  • sachliche, konstante Verteilzeit (auftragsunabhängig) tVsk
  • sachliche, variable Verteilzeit (teils auftragsabhängig) tVsv
  • nicht zu verwendende Zeit tN als Zeit für vom Mitarbeiter verursachte zusätzliche Tätigkeiten oder für willkürliches persönliches Unterbrechen
  • fallweise zu verwendende Zeit tF als Zeit für zusätzliche Tätigkeiten oder Störungen, die aufgrund ihrer Dauer zum Zustand „außer Einsatz“ führen

Die Durchführung und die Auswertung der Verteilzeitstudie sind im REFA-Standardprogramm „Verteilzeitaufnahme“ ausführlich beschrieben.

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