Diese Zeiten werden zur Grundzeit als Verteilzeitzuschläge hinzugerechnet. Grundzeiten (tG) inklusive Verteilzeiten (tV) werden mit den Erholungszeiten (tEr) zusammengefasst zur Ausführungszeit (tA) als Gesamtbearbeitungszeit pro gefertigter Einheit. Formelmäßig dargestellt werden kann dies folgendermaßen:
(tG + tV) + tEr = tA
Die Ausführungszeit wiederum kann als Grundlage genutzt werden für die Festlegung der Vorgabezeit für einen Vorgang. Die Vorgabezeit ist als Soll-Zeit eine wichtige Kennzahl für die Bemessung der persönlichen Arbeitsleistung der Beschäftigten und deren leistungsgerechter Entlohnung sowie der Produktivität.
Verteilzeitstudien – wozu?
Gemäß Lean-Ansatz können Verteilzeiten als Verschwendung angesehen werden. Das Ziel der Verteilzeitstudie sollte also sein, die verschiedenen Arten von Verteilzeiten zu identifizieren und deren jeweilige Dauer und Häufigkeit zu bestimmen. Auf dieser Basis sind dann Maßnahmen abzuleiten, um den Anteil der Verteilzeiten an der Ausführungszeit zu reduzieren und damit die Produktivität zu erhöhen.
Die regelmäßige Durchführung von Verteilzeitstudien ist notwendig, da die Verteilzeiten sich auf einen bestimmten Prozess oder Produktionsablauf beziehen. Ändern sich die Prozesse, etwa durch die Umstellung auf andere Produkte, aufgrund neuer Herstellungsverfahren oder beim Einsatz neuer Gerätschaften oder Materialien, ändern sich auch die Verteilzeiten und damit die Verteilzeitzuschläge. Da diese aber oft in Betriebsvereinbarungen oder sogar branchenintern in Tarifverträgen vereinbart wurden und festgelegt sind, ergeben sich aus der Neuerhebung der Zeiten schwerwiegende Konsequenzen. Zudem sind Verteilzeitaufnahmen aufwendig und oft kostenintensiv, sodass trotz aller Einsparmöglichkeiten häufig auf die Durchführung verzichtet wird.
Welche Zeiten werden erhoben?
Unterschieden werden bei der Verteilzeitstudie die folgenden Zeitarten:
- Aufnahmezeit tAZ
- Grundzeit tG
- Erholungszeit tEr
- persönliche Verteilzeit tVp
- sachliche, konstante Verteilzeit (auftragsunabhängig) tVsk
- sachliche, variable Verteilzeit (teils auftragsabhängig) tVsv
- nicht zu verwendende Zeit tN als Zeit für vom Mitarbeiter verursachte zusätzliche Tätigkeiten oder für willkürliches persönliches Unterbrechen
- fallweise zu verwendende Zeit tF als Zeit für zusätzliche Tätigkeiten oder Störungen, die aufgrund ihrer Dauer zum Zustand „außer Einsatz“ führen
Die Gesamt-Verteilzeit setzt sich dabei aus den sachlichen Verteilzeiten mit den konstanten und variablen Anteilen sowie den persönlichen Verteilzeiten zusammen:
tV = (tVsk + tVsv) + tVp
Sie wird in Verteilzeitprozentsätze umgerechnet und der ermittelten Grundzeit zugeschlagen.
Verteilzeiten sind ebenso wie die nicht (tN) oder nur fallweise (tF) zu verwendenden Zeiten Anhaltspunkte für eine mögliche Optimierung des untersuchten Arbeitssystems, da hier Leistungsverluste deutlich werden. Des Weiteren dienen sie als Grundlage zur Berechnung von Ausfallzeiten, die bei der Kapazitätsplanung berücksichtigt werden müssen.
Durchführung einer Verteilzeitstudie
Zur Bestimmung der Verteilzeiten haben sich drei Möglichkeiten etabliert:
- die Verteilzeitaufnahme als kontinuierliche Langzeitaufnahme über mindestens eine Woche. Dabei werden über die komplette Arbeitszeit oder Schicht in einem oder mehreren Arbeitsbereichen parallel die Zeiten für die verschiedenen Arbeitsabschnitte erhoben.
- die Verteilzeitaufnahme als kontinuierliche Aufnahme über mehrere Tage in ausgewählten Bereichen. Die Bereiche werden gezielt ausgesucht oder per Zufall bestimmt. Die Aufnahme erfolgt meist über die komplette Arbeitszeit oder Schicht.
- die Multimomentstudie oder Multimomentaufnahme (MMA) als diskontinuierliche Aufnahme durch statistisch festgelegte, wiederkehrende Rundgänge. Mit der MMA lassen sich große Teile des Unternehmens gleichzeitig durch eine oder mehrere Personen untersuchen. Durch wiederholte Aufnahme der Zeiten für Arbeitsabschnitte an unterschiedlichen Orten und zu verschiedenen Zeiten ergibt sich ein statistisch abgesichertes Bild der Vorgangsdauern.
Grundsätzlich erfolgt die Erhebung der Verteilzeiten durch Zeitmessung wie bei der Zeitaufnahme nach REFA, allerdings ohne Leistungsgradbeurteilung. Die Durchführung und die Auswertung der Verteilzeitstudie sind im REFA-Standardprogramm „Verteilzeitaufnahme“ dargestellt.
Für die Ermittlung von Ist-Zeiten mithilfe eines Zeitaufnahmegeräts gelten folgende Schritte als Standardablauf:
- Festlegen des Verwendungszwecks der Zeitaufnahme. Die Zweckbestimmung ist entscheidend bei der Auswahl des Prozesses sowie für den Zeitraum, die Anzahl und die Intervalle der Erhebung.
- Beschreibung des zu erfassenden Prozesses. Das Arbeitssystem ist über die Arbeitsaufgabe, das Arbeitsverfahren und die verwendete Arbeitsmethode gemäß festgelegtem Gliederungsschema zu spezifizieren. Dabei wird untersucht, welche Tätigkeiten zur Arbeit gehören und in welche Arbeitsschritte der Ablauf gegliedert werden kann.
- Durchführung der Zeitaufnahme. Der Ablauf wird in Abschnitte gegliedert, deren Anfang und Ende als Messzeitpunkte definiert werden. Erfasst werden zudem Bezugsmengen und Einflussgrößen. Die Ist-Zeiten werden erhoben und dokumentiert.
- Statistische Auswertung der ermittelten Zeiten. Liegen die Messwerte nicht innerhalb der vorgegebenen oder gewünschten Standardabweichung, müssen mehr Zeiten erfasst werden. Alternativ kann versucht werden, die Abläufe stabiler zu gestalten, um große Schwankungen in den gemessenen Zeiten zu verhindern.
- Berechnung der Soll-Zeiten. Die einzelnen Zeiten der Ablaufabschnitte werden zur Grundzeit für den Arbeitsablauf bei einer Einheit summiert.
- Bestimmung von Erholungszeiten. Dies erfolgt auf Basis gesetzlicher sowie im Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung festgelegter Regelungen. Verwaltungseinheiten sind in der Regel davon ausgenommen, da Erholungszeiten bereits in die persönlichen Verteilzeiten einbezogen werden.
- Ermittlung der Verteilzeiten. Art, Anzahl und Dauer der Verteilzeiten hängen von persönlichen Bedürfnissen oder Maschinenstörungen ab und können stark schwanken. Mit der Verteilzeitaufnahme oder mit statistischen Methoden wie der Multimomentaufnahme können Durchschnittswerte ermittelt werden. Diese werden oft als Pauschalen in Tarifverträge aufgenommen und zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite verhandelt.
- Bestimmung sonstiger Zeitzuschläge, falls notwendig.
- Berechnung der Vorgabezeiten. Durch Addition der auf eine Einheit bezogenen Grund-, Erholungs- und Verteilzeiten werden Vorgabezeiten als Soll-Zeiten und Leistungsmaß berechnet.
Die ermittelten Zeitdaten können in ein Produktionsplanungs- und Steuerungs- (PPS-) oder auch ein Enterprise-Resource-Planning- (ERP-)System eingegeben werden. Dies erleichtert die Organisation des Arbeitsprozesses und erhöht damit die Effizienz der Leistungserstellung.