Zeitwirtschaft


Zeitwirtschaft

Definition

In der Zeitwirtschaft wird ein Auftrag vom Eintreffen bis zum Versenden zeitlich strukturiert. Dadurch kann die Produktivität erhöht werden und Prozesse können effektiver gestaltet werden. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt.

Zeitdaten sind essenziell zur Beschreibung von betrieblichen Prozessen, administrativen Vorgängen und anderen Arbeitsabläufen, etwa im Dienstleistungsbereich. Damit sind sie Grundlage für ein Zeitmanagement, denn ohne eine einigermaßen genaue Übersicht über die Ist-Zeiten von Verfahren und auszuführenden Tätigkeiten ist eine Planung, Steuerung, Kontrolle und letztlich Optimierung der Abläufe nicht möglich.

Außerdem sind Zeitdaten dringend notwendig für das Aufstellen von Kennzahlen und ein effektives Controlling, das unter anderem die Durchführung von Kalkulationen ermöglicht und das Fällen unternehmerischer Entscheidungen auf strategischer und operativer Ebene unterstützt.

Die Zeitwirtschaft ist die systematische Auseinandersetzung mit den erhobenen Daten. Die Analyse und Bewertung der erfassten Ist-Zeiten kann vielfältig genutzt werden, etwa um

  • Soll-Zeiten abzuleiten und als Standards festzulegen,
  • Produktionsprozesse und Personaleinsatz aufeinander abzustimmen,
  • leistungsgerechte Entgelte zu berechnen und
  • Zeitaufwände für anstehende Projekte abzuschätzen.

Zeitwirtschaft: Es gibt mehr als eine Definition

Allgemein definiert werden kann die Zeitwirtschaft als Erfassung, Analyse, Bewertung und Verwaltung von Zeitdaten aller Prozesse in einer Organisation.

Mehr in Richtung Zeitmanagement geht eine in produzierenden Unternehmen gängige Definition: Die Zeitwirtschaft dient der Termin- und Kapazitätsplanung durch eine Grobterminierung der Fertigungsaufträge anhand der bestehenden bzw. veranschlagten Durchlaufzeiten sowie der vorhandenen Kapazitäten.

Bezogen auf das Personalwesen ist die Zeitwirtschaft definiert als Verarbeitung aller das Personal betreffenden Zeiten. Dabei wird zwischen positiver und negativer Zeitwirtschaft unterschieden:

  • Bei der positiven Zeitwirtschaft werden die in Bezug auf die Arbeitszeit erfassten Daten verarbeitet.
  • Bei der negativen Zeitwirtschaft ist der Ansatz „Soll-Zeit gleich Ist-Zeit“; erfasst und verarbeitet werden nur die Abweichungen von den Soll-Zeiten.

Aufgaben und Elemente der Zeitwirtschaft

In produzierenden Unternehmen

In produzierenden Unternehmen dient die Zeitwirtschaft der zeitlichen Strukturierung eines Auftrags vom Eingang bis zum Versand oder der Auslieferung des geforderten Produkts – „von Rampe zu Rampe“. Kernelemente der Zeitwirtschaft sind damit die Durchlaufterminierung, die Kapazitätsplanung und der Kapazitätsabgleich. Auf diese Weise unterstützt die Zeitwirtschaft die Produktionsplanung und -steuerung. Die Auswertung der für einzelne Arbeitsschritte in einem Arbeitsablauf erfassten Zeitdaten ist einerseits die Datenbasis für die Festlegung von Soll-Werten als Standards für bestimmte Tätigkeiten, andererseits ermöglicht sie insbesondere die Aufdeckung von Schwachstellen und Engpässen. Die Zeitwirtschaft ist so eine der Säulen einer leistungsgerechten Entlohnung und ist zudem eine der Voraussetzungen für die Optimierung von Prozessen und die Vermeidung von Verschwendung. Somit ist sie auch eine wichtige Grundlage im Lean Management. Werden die Arbeitsprozesse in dem Unternehmen gesamtheitlich aus der Perspektive der Zeitwirtschaft betrachtet, entspricht dies dem Ansatz des Industrial Engineerings.

In Projekten

Auch in Projekten spielt die Zeitwirtschaft als Teilbereich des Zeitmanagements – neben dem Zielmanagement (Management by Objectives, MbO) und dem Selbstmanagement – eine wichtige Rolle. Die zeitliche Strukturierung eines Projekts vom Start über Meilensteine bis zum terminierten Abschluss mit einem geforderten Ergebnis ist ohne eine zeitwirtschaftliche Grundlage kaum durchführbar. Erst die detaillierte Betrachtung und Abschätzung der notwendigen Zeitdaten für das eingesetzte Personal und die technischen Kapazitäten verdeutlichen Abhängigkeiten zwischen Abläufen und machen eine Priorisierung der Arbeiten möglich. Sie zeigt, an welcher Stelle es möglich ist, Zeit einzusparen, welche Schritte mehr Zeit benötigen oder auch wo mehr Personaleinsatz erforderlich ist.

Im Personalwesen

Im Personalwesen werden in der Zeitwirtschaft alle das Personal betreffenden Zeiten verarbeitet. Darunter fallen also unter anderem:

  • Arbeits- bzw. Dienstzeiten;
  • An- und Abwesenheitszeiten;
  • Pausen und Ruhezeiten;
  • Zeiten der (Ruf-)Bereitschaft;
  • Zeiten für Weiterbildungen, Schulungen und andere Personalentwicklungsmaßnahmen;
  • Zeiten für Coachings oder Mentoring;
  • (dienstlich begründete) Reise- und Wegezeiten;
  • Zeiten für betriebliche Veranstaltungen;
  • Urlaubs-, Krankheits- und Fehlzeiten.

Übliche Methoden der Zeiterfassung waren bislang die Stechuhr oder Stundenzettel. Modernere Varianten erfassen die Arbeitszeiten elektronisch über das Zugangssystem, das beispielsweise per Zahlencode oder Ausweiskarte individuell die Zeitdaten ermittelt, oder das Einloggen in den Computer am Arbeitsplatz. Mobiles Arbeiten kann abgebildet werden über Smartphone- oder Tablet-Lösungen, bei denen eine App die persönlichen Arbeitszeiten dokumentiert. Dann spricht man von der mobilen Zeitwirtschaft.

Solche Software-Lösungen vereinfachen sowohl die manuelle oder automatische Zeitdatenerfassung (durch die Beschäftigten) als auch die Auswertung (durch die Personalabteilung) als administrativem Akt. Zeitdaten können in Echtzeit zur Verfügung stehen. Mitarbeitern stehen damit Angaben über ihre Arbeitszeiten und damit über Zeitsalden, Überstunden, Fehlzeiten etc. zur Verfügung. Dies schafft Transparenz und erhöht die Motivation. Zudem wird der administrative Aufwand insgesamt reduziert. Die Personalabteilung ist in der Lage, detaillierte Auswertungen vorzunehmen, Dokumentationen zu erstellen und Berichte vorzulegen. Dies wird für eine leistungsgerechte Festlegung von Entgelten und eine transparente Entlohnung immer wichtiger, denn die Arbeitswelt verändert sich rapide in Richtung „New Work“:

  • Arbeitszeiten werden zunehmend flexibilisiert;
  • neue Lebensarbeitszeitmodelle werden entwickelt;
  • der Arbeitsort verliert an Bedeutung – Homeoffice, Remote Work und Coworking Spaces oder Worklounges ersetzen den festen Büroarbeitsplatz;
  • es entstehen ganz neue Arten von örtlich und zeitlich kaum noch begrenzter Zusammenarbeit – bis hin zur „Workation“, dem Verschmelzen von Arbeit (Work) und Urlaub (Vacation).

Methoden in der Zeitwirtschaft

Die Zeitwirtschaft betrachtet firmeninterne Abläufe im Hinblick auf Anzahl und Dauer. Wichtige Bezugspunkte sind Start-, Zwischen- und Endzeitpunkte, um die Durchlaufzeit bis zu bestimmten Meilensteinen oder für den gesamten Prozess zu bestimmen. Um einzelne Arbeitsschritte betrachten und bewerten zu können, wird aber auch die Dauer einzelner Tätigkeiten und Vorgänge im Rahmen eines Arbeitsablaufs ermittelt. So entsteht ein Pool an Daten, aus dem hervorgeht, welche Zeiten von wem für welche Verrichtungen beispielsweise in der Produktion oder beim Umgang mit Kunden aufgewendet werden.

Die Dauer von Arbeitsanteilen bis hin zu Durchlauf- oder Projektlaufzeiten können als Erfahrungswerte vorliegen oder geschätzt werden. Diese Werte werden dann jeweils auf neue Prozesse oder Projekte als Soll-Werte übernommen, die kontinuierlich mit den gemessenen Ist-Werten abgeglichen werden können. Treten Abweichungen – im Sinne von Verzögerungen – auf, sind entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten und für die Zeitwirtschaft zu dokumentieren. So lässt sich beurteilen, ob der Soll-Wert für zukünftige Abläufe angepasst werden muss.

Die gängigsten kontinuierlichen Methoden der Zeiterfassung als Basis der Zeitwirtschaft sind im Bereich Personalwirtschaft angesiedelt. Üblich sind Erfassungssysteme wie die Stech- oder Stempeluhr oder elektronische Einrichtungen wie Zugangssysteme. Aufgezeichnet wird so die tägliche Arbeitszeit, um Zeitkontingente transparent zu machen.

Die Zeitwirtschaft im Produktions- oder Fertigungssektor läuft in vielen Fällen diskontinuierlich ab. Wichtig ist hier die einmalige oder regelmäßige, statistisch abgesicherte Erfassung der Dauer von Arbeitsschritten in einem Arbeitsablauf. Das Methodenrepertoire reicht hier von der automatischen Betriebsdatenerfassung und dem persönlichen Beobachten und Messen über das Interview, die Selbstaufschreibung und das Schätzen bis hin zur Multimomentaufnahme und zu den Systemen vorbestimmter Zeiten (SvZ) – je nach Einsatzgebiet und notwendigem Detaillierungsgrad. REFA bietet hier ein breites Spektrum an geeigneten Methoden an.

Die Zeitwirtschaft in einer Organisation beruht nie auf nur einem Ansatz, sondern verbindet meist mehrere Methoden.

Fazit

Die Zeitwirtschaft liefert wichtige Informationen als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für alle Arten von unternehmerisch agierenden Organisationen – von Industrieunternehmen und Handwerksbetrieben über Dienstleistungsanbieter bis hin zu Verwaltungen. Die Anwendungsgebiete beginnen bei der Prozessplanung und -steuerung sowie der Kapazitätsplanung. Die Zeitwirtschaft ist wichtig für die Preis- und Kostenkalkulation und dient als Berechnungsgrundlage für die Entlohnung. Außerdem kann sie genutzt werden für die ergonomische Arbeitssystemgestaltung – vom Layout einer Fertigungsanlage bis hin zur Ausstattung eines Einzelarbeitsplatzes –, um die Durchlaufzeiten zu reduzieren.

 

 

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