Den Wert eines Unternehmens ermitteln

Verfasser: Stephan Jansen, Geschäftsführender Gesellschafter der M&A- und PMI-Beratung, Beyond the Deal Deutschland, Frankfurt
Bei der Bewertung eines Unternehmens gehen die Meinungen von Inhabern und potenziellen Käufern oft weit auseinander. Welchen Wert eine Firma hat und welcher Preis dafür angemessen ist, entscheiden aber nicht subjektive Faktoren. Ausschlaggebend sind das jeweilige Marktumfeld ebenso wie die gesamtwirtschaftliche Lage.
Den einen korrekten Unternehmenswert gibt es daher nicht. Dennoch muss bei Transaktionen wie dem An- oder Verkauf einer Firma, der Übernahme einzelner ihrer Bestandteile sowie der Verschmelzung oder Zusammenlegung von Betrieben eine Einigung über den Gegenwert erzielt werden. Dies ist letztendlich der bei einem Verkaufsprozess übliche Marktpreis: Ein Unternehmen ist so viel wert, wie ein unabhängiger Dritter dafür zu bezahlen bereit ist.
Der Verkäufer eines Unternehmens sollte also alles daransetzen, einen unabhängigen Dritten zu finden, der einen möglichst hohen Preis bezahlen will und kann. Für einen Käufer ausschlaggebend kann sein, mit dem Kauf große Synergien zu erzielen oder eine strategische Lücke zu schließen.
Die unterschiedlichen Bewertungsverfahren
Zur objektiven Bewertung eines Unternehmens haben sich drei Verfahren etabliert: das Vergleichswert-, das Einzelwert- und das Gesamtwert-Verfahren.
Vergleichswert-Verfahren: Wertschätzung mit Multiples
Der Wert eines Unternehmens lässt sich einfach und schnell anhand von „Multiples“ schätzen. Zugrunde gelegt werden dabei die Durchschnittswerte der in einer Stichprobe erhobenen Vergleichsunternehmen. Da Mittelwerte und Schätzungen die Basis der Wertermittlung sind, ist diese Methode prinzipiell fehleranfällig und ungenau. Dennoch geben Multiple-Verfahren gute erste Hinweise auf den ungefähren Wert.
Deal-Multiples: Marktpreise in speziellen Sektoren
Deal-Multiples werden im Jargon von Merger and Acquisition (M&A) auch „Comps“ (von Comparable Analysis, Vergleichsanalysen) genannt. Sie liefern eine Bewertungsgrundlage für Unternehmen in speziellen Sektoren, da sie den aktuellen Marktpreis für gehandelte Unternehmen in einem abgegrenzten Marktsegment widerspiegeln. Dies ermöglicht einen qualifizierten Vergleich. Dabei werden die Verkaufspreise in Relation zum Umsatz, dem EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) oder dem EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes and Depriciation) gesetzt. Auf Ebene professioneller Investoren wird beispielsweise der Unternehmenswert als „2-mal Umsatz“ oder „8-mal EBIT“ angegeben. Typisch für Firmen mit weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz sind Handelswerte von ca. 5-mal EBIT in der Bauindustrie bzw. im Handwerk sowie ca. 8-mal EBIT für Pharmaunternehmen.
Alle Transaktionen im Bereich M&A, also Fusionen und Übernahmen, werden in Datenbanken erfasst und von Finanzdienstleistern wie zum Beispiel Mergermarket oder Reuters zum Kauf angeboten. Bei einer Recherche im Internet sind allerdings auch frei zugängliche Angaben zu finden. Außerdem kann man bei Bedarf bei M&A-Beratern aktuelle Bewertungen erfragen.
Den Wert Ihres Unternehmens können Sie auch selbst abschätzen. Ermitteln Sie dazu den um Sondereffekte bereinigten durchschnittlichen Umsatz der letzten drei Jahre bzw. den Durchschnitt des EBITs in diesem Zeitraum und multiplizieren Sie diesen mit den jeweiligen aktuellen Deal-Multiples für Umsatz bzw. EBIT. Der (Schätz-)Wert Ihres Unternehmens liegt dann in den sich bei den Berechnungen ergebenden Preisspannen.
Bewertung mittels Trading-Multiples
Auch Trading-Multiples können als Basis für eine Bewertung dienen. Dazu werden öffentliche Finanzkennzahlen von möglichst ähnlichen börsennotierten Unternehmen im selben Sektor verglichen. Aus diesen wird dann der Mittelwert als Bezugsgröße bestimmt.
Als Mittelwert wird zum Beispiel die EBIT-Marge herangezogen. Anhand des Börsenwerts von Vergleichsunternehmen lassen sich dann Rückschlüsse auf den Wert einer nicht-börsennotierten Gesellschaft ziehen. Dazu wird der Unternehmenswert an der Börse durch die Bezugsgröße dividiert; hieraus ergibt sich ein Faktor als Multiplikator, mit dem der Wert des zu beurteilenden Unternehmens überschlägig berechnet werden kann. Werden an der Börse zum Beispiel Textil-Unternehmen mit einem durchschnittlichen EBIT-Multiplen von 8-mal gehandelt, lässt sich diese Zahl auch zur Bewertung eines großen, nicht börsennotierten Textil-Unternehmens nutzen.
Einzelwert-Verfahren: Bewertung des vorhandenen Vermögens
Einzelwert-Verfahren gehen von den bestehenden Vermögensgegenständen aus. Dies sind neben Sachwerten unter anderem auch Rechte wie Patente oder Marken. Die Substanzwerte können sich beispielsweise aus der Bilanz, aus Abschreibungstabellen oder anhand der Wiederbeschaffungskosten ableiten lassen.
Eine andere Methode geht vom Liquidationswert aus. Bei der Festlegung des Verkaufspreises wird dabei der Wert der Vermögensgegenstände bei einer Beendigung der Geschäftstätigkeit, also bei der Auflösung eines Unternehmens, zugrunde gelegt. Die einzelnen „Assets“ des Inventars, etwa gebrauchte Maschinen, Grundstücke, Gebäude, werden mit dem Verkaufspreis angesetzt. Auch Markenrechte, Patente, Lizenzen, Beteiligungen oder Kundenlisten können verkauft und zur „Liquidationsmasse“ gerechnet werden. Von der so erhaltenen Summe sind die Ablösungsbeträge für vorhandene Verbindlichkeiten und die Liquidationskosten abzuziehen.
Auch der Wiederbeschaffungswert kann zur Berechnung eines Verkaufspreises herangezogen werden. Wiederbeschaffungsrechnungen werden häufig zu Vergleichszwecken und als Entscheidungshilfe bei „Make or Buy“-Investitionen herangezogen – etwa als Alternative zwischen dem Errichten einer neuen Produktionsanlage oder dem Kauf bzw. der Übernahme einer aktuell betriebenen. Ein direkter Vergleich ist jedoch oft nicht möglich, da die monetäre Bewertung von eher ideellen Vermögensgegenständen oder Rechten schwierig ist. Eingerechnet werden muss beispielsweise der Zeitaufwand für ein amtliches Verfahren oder die Vergabe einer behördlichen Genehmigung. Solche Berechnungen sollten daher in erster Linie zum Ermitteln von Preisgrenzen angewendet werden. Die Bewertungspraxis stützt sich dagegen tatsächlich eher auf die Gesamtwert-Verfahren, speziell das DCF-Verfahren.
Einzelwert-Verfahren werden oft angewendet, um den Inhabern einer Firma eine Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen beim Verkauf zu geben. Als Alternativen stehen der Verkauf als Ganzes zu einem gebotenen Preis oder die Zerschlagung des Unternehmens an, wenn sich dadurch ein höherer Gewinn erzielen lässt.
Gesamtwert-Verfahren
Bei den Gesamtwert-Verfahren werden der derzeitige oder der zukünftige Ertrag mit in die Bewertung des Unternehmens einbezogen. Das DCF-Verfahren ist dabei umfassender als das Ertragswert-Verfahren, da es die in der Zukunft erwartbaren Finanzströme mit abbildet und auch strategische Änderungen einbezieht.
DCF berücksichtigt künftigen Cashflow
Das Kürzel DCF steht für „Discounted Cash-Flow“. Damit werden die künftigen Zahlungsströme (Free Cash-Flows) des Unternehmens bezeichnet, die anhand spezifisch ermittelter, gewichteter Kapitalkosten abgezinst, also diskontiert werden. Der Free Cash-Flow umfasst die freien Zahlungsströme der Firma, auf die alle Kapitalgeber ein Anrecht haben – vermindert um die finanziellen Verbindlichkeiten.
Grundlage für die Abschätzung der zukünftigen DCF ist ein Business-Plan. Dabei werden für eine Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren die Umsätze und Kosten abgeschätzt sowie die jährlichen Ergebnisse (EBIT) hochgerechnet. Danach werden die Unternehmenssteuern, die Investitionen in Sachanlagen (CAPEX) sowie Erhöhungen des Umlaufvermögens (Working Capital) vom EBIT abgezogen sowie Abschreibungen und Minderungen des Umlaufvermögens hinzuaddiert, um den Cashflow zu erhalten. Diese Berechnung wird über die eigentliche Planungsperiode hinaus fortgeführt, da bei der Anwendung des DCF-Verfahrens die Fortführung der unternehmerischen Aktivitäten angestrebt wird. Dieser Fortführungswert (Terminal-Value) liegt häufig bei mehr als 50 Prozent des ermittelten Gesamtwerts.
Der Terminal-Value kann über mehrere Methoden ermittelt werden. Etabliert haben sich die sogenannten Exit-Multiples – also EBIT- oder EBITDA-Multiples bei Annahme eines Verkaufs des Unternehmens nach der Planungsperiode – als Grundlage oder die Anwendung einer konstanten Wachstumsformel. Die so berechneten Cashflows und der Terminal-Value werden dann mit dem jeweils spezifischen Diskontierungssatz, WACC (Weighted Average Working Capital) genannt, auf den aktuellen Bewertungsstichtag abgezinst.
Die Modellierung der DCFs kann sehr komplex werden, da die Berechnungen auf vielen Annahmen beruhen. Für eine valide Wertermittlung sind daher Erfahrung, Objektivität und Kenntnis des M&A-Markts unerlässlich. Fehlen die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen in der Führungsetage des Unternehmens, sollte der DCF daher von einem Spezialisten berechnet werden. Dieser wird zunächst das Bewertungsobjekt abgrenzen, den wirtschaftlichen Verlauf in den letzten Jahren und die aktuelle Lage analysieren sowie eine Prognose für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens und seines Marktumfelds aufstellen. Auf dieser Basis kann er dann die Cashflows entwickeln und anhand von geschätzten Faktoren wie dem WACC eine Wertspanne ermitteln.
Ertragswert-Verfahren: primär in Deutschland üblich
Auch das Ertragswert-Verfahren berücksichtigt künftige Zahlungsströme sowie den Barwert der Auszahlungen, die in Zukunft an die Investoren fließen. Dabei handelt es sich um Überschüsse, die bei der Fortführung des Unternehmens und beim Veräußern der nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände erwirtschaftet werden.
Die Modellierung des Ertragswerts basiert auf der Annahme, dass das Unternehmen keine strategischen Änderungen durchläuft und die Überschüsse vollständig ausgeschüttet werden. Grundlage des Ertragswert-Verfahrens ist ein Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), der die professionelle Anfertigung von Prüfberichten regelt. Angewendet wird es heutzutage insbesondere in Deutschland, wenn Unternehmensfusionen oder Verschmelzungen anstehen; auf internationaler Ebene wird die DCF-Analyse bevorzugt. So wurden in den letzten Jahren in Deutschland und Österreich ca. 40 Prozent aller Bewertungen mittels DCF-Analyse durchgeführt, etwa 30 Prozent per Ertragswert-Verfahren und gut 10 Prozent mit Vergleichswert-Verfahren. Der Rest entfiel auf Mischverfahren und Substanzwert-Verfahren.
Im Idealfall mehrere Bewertungsverfahren nutzen
In der Praxis der Unternehmensbewertung im Rahmen von M&A sind das DCF-Verfahren und Multiple-Bewertungen vorherrschend. Idealerweise wird bei einer M&A-Transaktion jedoch nicht nur ein Bewertungsverfahren durchgeführt, sondern, um die Bewertung abzusichern, mindestens zwei verschiedene Verfahren.
Fazit
Eine erste eigene Bewertung Ihres Unternehmens können Sie anhand eines Vergleichs von Markt-Multiplikatoren vornehmen. Diese Daten sind teils frei im Internet verfügbar, sie liegen aber auch in kommerziellen Datenbanken vor. Auch Unternehmenswertrechner auf den Webseiten von M&A-Beratern und Finanzmagazinen können erste Hinweise auf den Unternehmenswert liefern. Um aber nicht nur allgemeine, sondern unternehmensspezifische Faktoren einzubeziehen, werden ein sorgfältig ausgearbeiteter Business-Plan und die Anwendung des DCF-Modells nötig.