Prozessgestaltung 4.0 – Anforderungen an das Industrial Engineering


Verfasser: Kim Bogus, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am REFA-Institut e.V., Dortmund

Industrial Engineering in Zeiten der Industrie 4.0 – Teil 5

Die Prozessgestaltung in der Industrie 4.0 umfasst neben der Vernetzung und Integration von internen Prozessen auch die Anbindung von Partnern und Kunden. Dabei stellen sich an das moderne Industrial Engineering neue Herausforderungen, allerdings sind klassische REFA-Methoden die Basis für eine erfolgreiche Neugestaltung im Kontext der Industrie 4.0.

Der Industrial Engineer ist im Unternehmen dafür verantwortlich, die Produktivität der Führungs-, Kern-, und Unterstützungsprozesse hoch zu halten. Zu seinen Aufgaben gehören die Entwicklung von Zielen und Standards sowie deren Umsetzung. Als Prozessorganisator stehen ihm hierfür verschiedene Methoden und Instrumente zur Verfügung, mit Hilfe derer er aus ingenieur- und betriebswissenschaftlicher Sicht den Unternehmenserfolg gewährleistet [1].

Digitalisierung und Industrie 4.0 verlangen vom Industrial Engineering, die Gestaltung von Prozessen aus zwei Perspektiven zu betrachten: Zum einen müssen Veränderungen der Prozesse analysiert und daraus entstehende Anforderungen identifiziert werden, zum anderen sind neue verfügbare Methoden und Technologien anzuwenden, für deren reibungsfreie Integration der Industrial Engineer während einer Neu- oder Umgestaltung sorgen soll.

Der Ansatz zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen ist nicht neu. Der Fokus lag bisher jedoch primär auf internen Prozessen und deren Optimierung. Hinsichtlich einer digitalen Transformation ist dieser Betrachtungshorizont aber nicht mehr ausreichend. Stattdessen müssen nun auch Partner in der Lieferkette, das Marktumfeld oder das politische und gesellschaftliche Geschehen integriert werden. [2]

Vernetzung auf Plattformen

Für die Umsetzung solcher ganzheitlichen und vernetzten Strukturen werden Plattformen in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Diese Softwarelösungen gewährleisten die Zusammenarbeit über verschiedene Anwendungsschnittstellen und Unternehmensbereiche hinweg und erlauben den reibungsfreien Austausch von Daten. Durch solche Plattformen können alle nötigen Parteien in die Geschäftsprozesse integriert werden. Zudem lassen sich umfangreiche Informationen, wie etwa Produkt- oder Planungsänderungen in Echtzeit mit den Beteiligten austauschen. Ein Beispiel ist das folgende Video, in dem ein Bestellvorgang in der Metallverarbeitungsindustrie kurz erläutert wird.

Beispiel einer Plattformlösung [3]

Für den Industrial Engineer ergibt sich aus dem Einsatz einer Plattform für die Gestaltung entsprechender, passender Prozesse ein erweiterter Fokus. Zum einen müssen neuartige Prozesse den Compliance-Anforderungen gerecht werden. Das heißt, dass rechtliche und branchenübliche Vorschriften auch bei vernetzten Plattformen eingehalten werden müssen. Angesichts der Entwicklung hin zu Service-Prozessen und einer zunehmenden Produktindividualisierung muss der Industrial Engineer die Folgen für das Unternehmen abschätzen können. Weiterhin werden potenzielle Risiken durch die Integration verschiedener Parteien verschoben oder sie verändern sich, weshalb eine Neubetrachtung und Abwägung durchgeführt werden muss. Auch die Messbarkeit der durchaus komplexeren Prozessstrukturen muss gewährleistet werden. Der Industrial Engineer definiert dazu Beurteilungskriterien und setzt sie ein [4].

Aus Prozesssicht ist für den Industrial Engineer die nachhaltige Technologieintegration, wie etwa das IoT (Internet of Things), CPS (Cyber-Physical System) oder CPPS (Cyber-Physical Production System) von Bedeutung. Intelligente Geräte und Produkte werden zukünftig selbstständig Entscheidungsvorschläge abgeben oder diese sogar eigenständig durchführen, wie etwa das Auslösen von Teilebestellungen. Für das Industrial Engineering bedeutet dies, dass eine ausreichende Prozesstransparenz unabdingbar ist, damit die Prozesse von allen Beteiligten klar nachvollzogen werden können.

Dabei unterstützen die REFA-Methoden und Kompetenzen den Industrial Engineer. Denn klassische Probleme in der Prozessgestaltung verschwinden nicht, vielmehr müssen gewachsene Prozesse, unnötig hohe Komplexität, Verschwendungen oder fehlende Akzeptanz erst beseitigt werden, bevor die neuausgerichtete Industrie 4.0-Landschaft angegangen wird. Denn nach einer Studie sind in der Industrie 4.0 nach wie vor Prozess-Know-how, Prozessmanagement oder Problemlösungskompetenz gefragt. (vgl. hierzu den ersten Beitrag dieser Reihe). Zur Identifikation bestehender Potenziale stellt das REFA-Institut eine Checkliste zur Verfügung, die Unternehmen unterstützt, Maßnahmen abzuleiten, damit grundlegende Standards und Prozesssicherheit zum Start einer Industrie 4.0-Umsetzung sichergestellt sind.

Zukünftig wird der Industrial Engineer seine Arbeit stärker an dem Business-IT-Alignment, also der Ausrichtung der IT-Bereichen an strategischen, taktischen sowie operativen Vorgehensweisen, orientieren müssen, um ebendiese vernetzte Plattformstruktur zu ermöglichen [5]. Weiterhin wird das Application Portfolio Management, also die Auswahl geeigneter Applikationen, für das Unternehmen wesentlich wichtiger. Das Arbeitsdatenmanagement samt seiner Schnittstellen, der Datenhoheit und definierten Zugriffsrechten ist ein weiterer wichtiger Punkt bei der Gestaltung zukünftiger Prozesse in der Industrie 4.0.

Quellen

[1] REFA: REFA-Grundausbildung 2.0. Darmstadt, 2016

[2] Fraunhofer IML: Prozesse durch Digitalisierung nachhaltig optimieren. Dortmund, 2016

[3] Youtube: Klöckner & Co + AXOOM: Die Maschine bestellt Stahl. Aufgerufen am 16.4.2018 unter https://www.youtube.com/watch?v=UEAeI5V3pIk

[4] Cebit: Prozesse für die Industrie 4.0. Aufgerufen am 16.04.2018 unter https://www.cebit.de/de/news-trends/news/prozesse-fuer-industrie-4-0-730

[5] Uni-Bamberg: Business-IT-Alignment. Aufgerufen am 16.04.2018 unter https://www.uni-bamberg.de/isdl/transfer/it-business-alignment/

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